Carl Wilhelm Friedrich von Schlegel
Deutscher Kulturphilosoph und Dichter; Bruder von August Wilhelm Schlegel; studierte nach einer Kaufmannslehre in Leipzig ab 1790 Jura in Göttingen, sowie ab 1791 Philosophie, Altphilologie und Kunstgeschichte in Leipzig, lebte anschließend in Berlin, wo er Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher kennenlernte, und in Jena, wo er in Kontakt mit Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, Ludwig Tieck und Novalis trat, mit dem zusammen er den Kopf der Jenaer Frühromantiker bildete. Nach seiner Kritik am Musenalmanach kam es zum Bruch mit Friedrich v. Schiller, an dessen Horen er mitgearbeitet hatte, und er war Mitarbeiter an Christoph Martin Wielands Zeitschrift Der Teutsche Merkur und der Berlinischen Monatsschrift. Mit seinem Bruder August Wilhelm gab er von 1798 bis 1800 die Zeitschrift Athenäum heraus, in der beide ihre romantische Kunstkonzeption entwickelten; 1801 habilitierte er in Jena. Er pflegte Freundschaft zu Rahel Levin und lebte mit Dorothea Veit, einer Tochter des Philosophen Moses Mendelssohn zusammen, die er 1804 heiratete und mit der zusammen er 1808 zum Katholizismus konvertierte; von 1802 bis 1804 hielt er sich in Paris auf, wo er Sanskrit und orientalische Sprachen studierte und Vorlesungen über deutsche Literatur und Philosophie hielt; von 1803 bis 1805 war er Herausgeber der Zeitschrift Europa. Reisen führten ihn durch Deutschland, Holland, Frankreich und die Schweiz. 1809 trat Schlegel in den diplomatischen Dienst der österreichischen Regierung, war von 1815 bis 1818 Legationsrat bei der österreichischen Gesandtschaft am Frankfurter Bundestag, sowie zugleich Teilnehmer an Beratungen des Wiener Kongresses. Von 1812 bis 1813 war er Herausgeber der Zeitschrift Deutsches Museum. 1819 unternahm er eine ausgedehnte Reise mit Kaiser Franz I. und K.W.v.Metternich nach Italien und war von 1820 bis 1823 in Wien Herausgeber der konservativen Zeitschrift Concordia, was zum Bruch mit dem Bruder führte. Schlegel lebte zuletzt in Dresden, wo er wissenschaftliche Vorträge hielt.
Werke u.a.: Abhandlungen Charakteristik des Wilhelm Meister (1798), Gespräch über die Poesie (1800), Alarcos (1802), Lucinde (1799).
Hannover, Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis
Deutscher Philosoph und Mathematiker; Sohn eines Rechtsanwaltes und Professors; besuchte ab 1661 die Universität in Leipzig, wechselte 1663 nach Jena. Als er sich zum Doktor der Rechte promovieren lassen wollte, wurde er von den Leipziger Professoren als zu jung abgelehnt (er war 20 Jahre alt, so daß er nach Nürnberg ging und an der Hochschule der Reichsstadt Nürnberg in Altdorf bei Nürnberg, wo er u.a. Student bei Johann Wolfgang Textor d.Ä. war, und 1667 in Jus promovierte. Danach trat er in kurmainzische Dienste als juristischer und diplomatischer Berater und wurde 1670 zum Rat am kurfürstlichen Revisionsgericht ernannt. Von 1672 bis 1676 hielt sich Leibniz in Paris auf, wo er die zeitgenössische Mathematik und Naturwissenschaft kennenlernte und u.a. in Kontakt mit Arnauld, Malebranche und von Tschirnhaus kam. Zu Christiaan Huygens, der Zeit seines Lebens sein väterlicher Freund und Förderer bleiben sollte, knüpfte er eine enge Beziehung. Auf mehreren Reisen nach London lernte er Robert Boyle, Robert Hooke und J. Collins (der ihm mathematische Manuskripte von Isaac Newton und J. Gregory zeigte) kennen. 1673 wurde er in die Royal Society aufgenommen. Die Bemühungen um eine bezahlte Anstellung am Collège de France und Aufnahme in die Académie des sciences zu Paris scheiterten trotz der Vorführung der von ihm erfundenen Rechenmaschine für alle vier Grundrechenarten. 1676 trat Leibniz als Bibliothekar und Hofrat in hannoversche Dienste, wo er auch als technischer Berater (u.a. in Bergbaufragen) tätig war. 1685 erhielt er den Auftrag, die Geschichte des Welfenhauses zu erforschen mit dem Ziel, dessen dynastische Ansprüche auf den englischen Thron zu untermauern. Für das Quellenstudium unternahm Leibniz von 1687 bis 1690 eine Reise durch Italien, wo er mit Malpighi und Viviani zusammentraf. Nach seiner Rückkehr wurde Leibniz 1691 Bibliothekar in Wolfenbüttel. Neben wissenschaftlichen Forschungen und historischen Studien, widmete sich Leibniz in den folgenden Jahren v.a. den Reunionsbestrebungen in den christlichen Kirchen sowie der Einrichtung wissenschaftlicher Akademien. 1700 kam es mit Unterstützung von Königin Sophie Charlotte zur Gründung der Societät der Wissenschaften in Berlin, deren Präsident Leibniz auf Lebenszeit wurde. Die Jahre von 1712 bis 1714 verbrachte er in Wien (hier wurde er 1713 zum Reichshofrat ernannt).
Abguß vom Schädel des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz
Seine letzten Lebensjahre waren überschattet vom Prioritätsstreit mit Newton in Sachen Infinitesimalrechnung (eine von der Royal Society eingesetzte Kommission beschuldigte Leibniz - nach heutiger Ansicht unberechtigt - des Plagiats) und von wachsender Isolation am hannoverschen Hof.
Werke u.a.: Nova methodus pro maximis et minimis (1684), De geometria infinitorum (1686), Theodizee (1710).
Dresden, Alter (Innerer) Friedhof
Philosophischer Schriftsteller; “Magus des Nordens” (Friedrich Karl von Moser), studierte in Königsberg Theologie, Jurisprudenz und Philosophie, wurde 1752 Hofmeister auf baltischen Gütern, war seit 1755 in Handelsgeschäften tätig und erlebte in London eine Bekehrungskrise, die er in seinen Gedanken über meinen Lebenslauf (1758/59) schilderte. Nach wechselnden Beschäftigungen wurde er 1764 Redakteur der Königsberger Zeitung, durch Vermittlung Immanuel Kants 1767 Sekretär bei der Akzise-Regie, 1777 dann Packhofverwalter. 1787 schied er aus diesem Amt und lebte nun abwechselnd in Düsseldorf und Münster bei seinen Freunden Friedrich Heinrich Jacobi und der Fürstin Amalie von Gallitzin. Auch mit Moses Mendelssohn, Johann Kaspar Lavater, v.a. aber mit Johann Gottfried Herder stand Hamann in freundschaftlicher Beziehung, obwohl er weltanschaulich seine eigenen Wege ging. Hamann war Wegbereiter und Anhänger der Sturm-und-Drang-Bewegung und wirkte bis zur Romantik, auch auf Goethe. Seine Sprachphilosophie und seine positive Sicht der Natur werden heute wieder viel beachtet.
Weitere Werke u.a.: Sokratische Denkwürdigkeiten... (1759), Kreuzzüge des Philologen (1762), Golgatha und Scheblimini (1784), Metakritik über den Purismus der Vernunft (1784).
Münster, Alter Überwasserfriedhof
Friedrich Wilhelm Joseph Ritter von Schelling (seit 1812)
Deutscher Philosoph; einer Pastorenfamilie entstammend, studierte der Hochbegabte bereits als 15-Jähriger zusammen mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Hölderlin, mit denen er sich anfreundete, am Tübinger Stift Theologie und Philosophie. 1795 machte Schelling sein Examen, fand eine Anstellung als Privatlehrer und widmete sich in dieser Eigenschaft an der Universität Jena ausgiebig naturwissenschaftlichen bzw. mathematischen Studien. Nachdem er seit 1798 als Professor an den Universitäten in Jena auf Empfehlung von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller und Johann Gottlieb Fichte, in Würzburg (1803-05), München (1806-20), Erlangen (1820-27) und erneut in München (1827-41) gelehrt hatte, wurde Schelling 1841 von dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin berufen. Obgleich dort u.a. Søren Kierkegaard, Michail Bakunin und Friedrich Engels zu seinen Hörern zählten, fanden seine Vorlesungen, die unter dem Eindruck Jakob Böhmes und Franz von Baaders stark metaphysisch-theosophische, mystisch-spekulative Züge trugen, allgemein wenig Anklang, so daß er sich 1846 enttäuscht von seiner Tätigkeit an der Universität zurückzog. Schelling wurde vor allem von Gedanken der Spätaufklärung inspiriert; auch die geschichtliche Umbruchphase der Französischen Revolution, namentlich die Philosophie von Jean-Jacques Rousseau, wirkte in seinem Denken nach. Zunächst einer der führenden Vertreter des Deutschen Idealismus, war sein späteres Denken von der Romantik geprägt. Für sein Denken prägte er den Begriff der Identitätsphilosophie. Schelling galt unter seinen Zeitgenossen als umstritten: Schopenhauer nannte seine Philospohie eine “Scheinphilosophie”, ein “dreistes Vornehmtuerisches Schwadronieren”, ein “in-den-Tag-hinein-Schwätzen”, Ludwig Feuerbach richtete über ihn als einen “philosophischen Caliastro des neunzehnten Jahrhunderts”. Andererseits lobten ihn Alexander von Humboldt als “den geistreichsten Mann des deutschen Vaterlandes” und Goethe sein “vorzügliches Talent”, und er urteilte: In seinem Denken sei “die große Klarheit bei der großen Tiefe immer erfreulich.”
Verheiratet war Schelling in erster Ehe seit 1803 mit Caroline Schlegel; diese Ehe blieb kinderlos. Am 11.6.1812 heiratete er Pauline Gotter (*1786, †1854); aus der Ehe der Ehe gingen sechs Kinder hervor, darunter Hermann von Schelling uund die Tochter Clara, die 1842 den Rechtshistoriker Georg Waitz heiratete.
Werke u.a.: Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie (1799), Bruno, oder über die göttlichen und natürlichen Prinzipien der Dinge (1802), Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (1803), Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosphie zu der verbesserten Fichte’schen Welt (1806), Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809).
Bad Ragaz (CH)
Friedrich Konrad Eduard Wilhelm Ludwig Klages
Deutscher Philosoph und Psychologe, Chemiker; Sohn eines Tuchhändlers; studierte Chemie in München und promovierte dort, wandte sich dann aber der Graphologie zu, die er zu einer Wissenschaft und einer allgemeine Ausdrucks- und Charakterkunde ausbaute.
Klages vertrat das philosophische Weltbild einer ursprünglichen Leib-Seele-Einheit, die durch den Intellekt gestört werde. In München machte er die Bekanntschaft mit dem Dichter Stefan George, den Schriftsteller Karl Wolfskehl sowie den Kosmologen und Mystagogen Alfred Schuler. Zusammen mit Franziska zu Reventlow bildeten sie eine Gemeinschaft und nannten sich “Kosmiker”. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges verlegte er seinen Wohnsitz in das Schweizerische Kilchberg. Ab 1949 hielt er gelegentlich wieder Vorträge in Deutschland.
Werke u.a.: Der Geist als Widersacher der Seele (3 Bde., 1929-32).
Kilchberg am Zürichsee, Friedhof
Deutscher Philosoph, Gesellschaftstheoretiker; trat 1954 der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Nach eine Studium der Philosophie in Berlin (Ost) arbeitete er ab 1959 als Journalist und Redakteur und war von 1965 bis 1967 stellvertretender Chefredakteur des FDJ-Organs Forum. Unter dem Eindruck der Ereignisse des Prager Frühlings wandte er sich der wissenschaftlichen Analyse und Kritik des Spätstalinismus zu. In seiner Schrift Die Alternative Zur Kritik von Arbeitsbedingungen im real existierenden Sozialismus (1976), die 1977 in Köln erschien, kritisierte er das gesellschaftliche System der DDR und wurde aus der SED ausgeschlossen, verhaftet und wegen Landesverrats zu acht Jahren Haft verurteilt. 1979 schob ihn die DDR in die Bundesrepublik ab. Dort war er von 1980 bis 1985 Mitglied der Partei der Grünen. Er hielt an der Universität Berlin zivilisations- und industrialismuskritische Vorlesungen. 1983 schloß er sich den Bhagwan-Jüngern an und vertrat als Landkommunarde spirituell-marxistische Positionen zur Überwindung der ökologischen Krise. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus kehrte er 1989 nach Ostberlin zurück, wo man ihn rehabilitierte und ihm an der Humboldt-Universität ein eigenes Institut für Sozialökologie einrichtete.
Werke u.a.: Logik der Rettung (1987).
Berlin, Friedhof d. Dorotheenstädt. u. Friedrichswerderschen Gemeinden
Deutscher Philosoph; Sohn eines Mechanikers; studierte Geschichte, Englische und Klassische Philologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, später Philosophie und Soziologie. Der Schüler von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno Schmidt Schmidt wurde 1960 mit einer Arbeit über den Begriff der Natur bei Karl Marx promoviert, die ”ein neues Kapitel der Marx-Rezeption“ aufschlug. In 18 Sprachen übersetzt, wurde sie “zu einem der meistgelesenen Bücher in der europäischen Protestbewegung“ der 1960er- und 1970er Jahre. 1972 wurde Schmidt Professor für Philosophie und Soziologie an der Universität Frankfurt als Nachfolger von Jürgen Habermas (*1929) auf dem Lehrstuhl von Max Horkheimer. Seine “Donnerstagsvorlesung” war in den 1980er Jahren legendär und zog auch viele Fachfremde an“. 1999 wurde Schmidt, der als ”Pionier einer undogmatisch-emanzipatorischen Marx-Rezeption“ gilt, emeritiert, hielt aber weiter Vorlesungen.
Alfred Schmidt, der Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und Ehrenmitglied der Schopenhauer-Gesellschaft war, war auch als Übersetzer englischer und französischer Schriften tätig.
Auszeichnungen u.a.: Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main, Bundesverdienstkreuz am Bande (1998)
Frankfurt am Main, Hauptfriedhof
Émile-Auguste Chartier (bekannt auch als Alain)
Französischer Essayist und Philosoph; Sohn eines Tierarztes; trat 1881 in das Lycée d'Alençon ein, das er nach fünf Jahren verließ, um auf die École polytechnique, zu wechseln, entschied sich aber für eine literarische Vorbereitung als externer Mitarbeiter am lycée Michelet in Vanves. Dort traf er den Philosophen Jules Lagneau, der ihm riet, sich der Philosophie zuzuwenden. Nach seiner Ausbildung an der Pariser Elitehochschule École normale supérieure war er bis 1902 zunächst als Lehrer in Pontivy, Lorient, Rouen und anschließend in Paris tätig. Ab etwa 1903 veröffentlichte er in verschiedenen Tageszeitungen unter dem Pseudonym Alain.1
Chartier engagierte sich politisch auf republikanischer und radikaler Seite und hielt Vorträge zur Unterstützung der säkularen Politik der Republik. Nach dem Scheitern des Kandidaten Louis Ricard, dessen Wahlkampf er in Rouen organisierte, zog er sich 1902 aus dem politischen Aktivismus zurück und widmete sich den populären Universitäten, die nach der Dreyfus-Affäre gegründet wurden, und dem Schreiben. Ab 1903 veröffentlichte er in La Dépêche de Rouen et de Normandie wöchentliche Chroniken, die er "Sonntagsvorschläge" und dann "Montagsvorschläge" nannte, bevor er zum Tagesvorschlag überging. Mehr als 3.000 dieser "Bemerkungen" erschienen zwischen Februar 1906 bis September 1914. Nachdem er 1909 Lehrer für Khâgne am Lycée Henri-IV geworden war, übte er einen tiefgreifenden Einfluß auf seine Schüler aus, darunter Simone Weil, Raymond Aron, Guillaume Guindey, Georges Canguilhem, André Maurois und Julien Gracq. Chartier, der Schriften v.a. zur Ethik und Religionsphilosophie verfaßte und zwischen den beiden Weltkriegen hohes Ansehen als ”moralische Stimme“ Frankreichs genießen und mit seiner Kolumnenform Le Propos eine neue literarische Gattung prägen wird, unterrichtete ab 1906 auch am Collège Sévigné in Paris.
Werke u.a.: Schriften v.a.: Les propos d'Alain (2 Bde.,1920), Die Pflicht, glücklich zu sein (1925), Gedanken über die Religion (1938).
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1 Der Name Alain, unter dem er hauptsächlich bekannt war, hatte er als Reverenz an seinen normannischen Landsmann Alain Chartier (um 1385-1433), einem Dichter und Diplomaten, gewählt.
Paris, Cimitière Père Lachaise
Friedrich Albert Moritz Schlick
Deutscher Philosoph und Physiker; studierte nach dem Abitur am Luisenstädtischen Realgymnasium in Berlin Naturwissenschaften und Mathematik an den Universitäten Heidelberg, Lausanne und Berlin. 1904 wurde er bei Max Planck mit einer physikalischen Arbeit Über die Reflexion des Lichts in einer inhomogenen Schicht promoviert. Ab 1911 war er Professor für Naturphilosophie an der Universität von Rostock, bevor er 1921 einem Ruf auf eine ordentliche Professur an der Universität Kiel folgte. 1922 übernahm er als Nachfolger Ernst Machs den Lehrstuhl für Naturphilosophie an der Universität Wien.
Schlick war der Begründer und einer der führenden Köpfe des Wiener Kreises im Logischen Empirismus. Seine Beiträge im Rahmen einer wissenschaftlichen Philosophie reichen von der Naturphilosophie und Erkenntnislehre bis zur Ethik und Ästhetik.
Moritz Schlick begründete den neopositivistischen Wiener Kreis. In seiner Allgemeinen Erkenntnislehre (1918) stellt Schlick seinen an David .Hume orientierten Empirismus und seinen erkenntnistheoretischen Realismus dar; deutet - entgegen Immanuel Kant - Sätze der Naturwissenschaften als synthetisch und a posteriori, damit durch Erfahrung widerlegbar. In Fragen der Ethik (1930) weist er absolute ethische Werte zurück und vertritt einen eudämonistischen Standpunkt1.
Moritz Schlick starb an den Folgen eines Pistolenschusses, den sein ehemaliger Student Hans Nelböck, der 1931 bei ihm promoviert hatte, auf der sogenannten Philosophenstiege im Gebäude der Wiener Universität auf ihn angefeuert hatte. Nelböck hatte bereits zuvor begonnen, seinen Doktorvater zu terrorisiere. Nachdem Nelböck ihn zweimal gedroht hattet ihn zu ermorden, hatte Schlick sich jeweils mit einer polizeilichen Anzeige gewehrt, worauf Nelböck in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert, jedoch nach einiger Zeit als ungefährlich wieder entlassen worden war. Nelböck wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, wurde jedoch 1938 von den Nationalsozialisten vorzeitig auf Bewährung aus der Haft entlassen. In zeitgenössischer Polemik wurde der ermordete Schlick von seinen Gegnern zum eigentlichen Schuldigen stilisiert und ihm die Verantwortung für seine Ermordung selbst zugewiesen: so von dem sich hinter dem Pseudonym Prof. Dr. Austriacus versteckenden Juristen Johannes Sauter, der in der einflußreichen katholischen Wochenschrift Schönere Zukunft Schlick die Schuld für die liberale Scheidung von Wissenschaft, Metaphysik und Glauben gab.
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1 Auf dem Eudämonismus bezogene philosophische Lehre, die im Glück des Einzelnen oder der Gemeinschaft die Sinnerfüllung menschlichen Daseins sieht.
Wien, Pötzleinsdorfer Friedhof,
Leo Kofler Pseudonyme Stanislaw Warynski oder Jules Dévérité
Österreichisch-deutscher Philosoph und Soziologe; älteres von zwei Kindern einer jüdischen Grundbesitzerfamilie; wuchs nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im sozialdemokratisch geprägten “Roten” Wien auf, wo Kofler, der 1926 Mitglied der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) wurde und von 1930 bis 1934 in der Wiener Sozialdemokratischen Bildungszentrale tätig war, die Handelsakademie besuchte. Nebenbei hörte er Vorlesungen des Juristen und Sozialphilosophen Max Adler, der ihn ebenso beeinflußte, wie später György (Georg) Lukács, der Theoretiker und Weiterentwickler des Marxismus. Nach dem Anschluß der Republik Österreich an das Deutsche Reich im März 1938 flüchtete Kofler in die Schweiz und war in der Bewegung ”Freies Österreich“ und der Bewegung ”Freies Deutschland“ aktiv. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging Kofler 1947 in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), wo er an der Universität in Halle an der Saale mit der Arbeit Die Wissenschaft von der Gesellschaft. Umriß einer Methodenlehre der dialektischen Soziologie, die er bereits 1944 in der Schweiz veröffentlicht hatte, promovierte. Mit der Schrift Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Versuch einer verstehenden Deutung der Neuzeit aus der Perspektive des historischen Materialismus, die bereits 1948 erschienen war, habilitierte er sich und lehrte als Professor für Mittlere und Neuere Geschichte. Anfang 1950 trat er nach Meinungsverschiedenheiten aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ging ins westdeutsche Köln. Dort begann er, sich in der gewerkschaftlichen sowie der Jugend-Bildungsarbeit zu engagieren und an verschiedenen Volkshochschulen zu lehren. Ab 1953 war er Dozent an der Sozialakademie Dortmund, 1969 für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum und von 1968 bis 1972 Lehrbeauftragter für Soziologie an der Kunstakademie in Köln, den Kölner Werkschulen.
1972 erkämpfte die Studentenbewegung für Kofler die Lehrstuhlvertretung für den Lehrstuhl Soziologie als Nachfolger von Urs Jaeggi an der Ruhr-Universität Bochum, die er bis 1979 innehatte. 1975 wurde ihm auf Grund seiner Verdienste in der Lehre eine Honorarprofessur in Köln verliehen. Dieser Status ermöglichte es ihm, bis zu seinem Schlaganfall im Sommer 1991 dort zu lehren.
Werke u.a.: Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft (1948), Soziologie des Ideologischen (1975), Geistiger Verfall und progressive Elite (1981), Der Alltag zwischen Eros und Entfremdung (1982).
Köln OT Höhenberg, Mülheimer Friedhof
Omnibus salutem!