Deutscher Philosoph und Psychiater; studierte Medizin in Berlin, Göttingen und Heidelberg, war danach Assistent an der psychiatrischen Klinik in Heidelberg, seit 1916 Professor für Psychologie in Heidelberg und seit 1920 zugleich für Philosophie. Dort lernte er Hannah Arendt kennen, die aus Marburg nach Heidelberg gewechselt war. Während der Zeit des Nationalsozialismus hatte er, da seine Ehefrau Jüdin war, Berufsverbot. Nach Kriegsende wurde er zwar wieder Professor in Heidelberg, verließ Deutschland jedoch aus Enttäuschung über die politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und war von 1948 bis 1961 Professor für Philosophie an der Universität Basel. Seine engagierte Philosophie war geprägt von den Erfahrungen aus den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Er richtete sich jedoch auch gegen die politische Vorgänge in der Bundesrepublik Deutschland (Die Schuldfrage, 1946, über die Frage einer kollektiven Kriegsschuld der Deutschen; in Wohin treibt die Bundesrepublik?, 1966). Jaspers' Maxime lautete: Philosophie und Politik sollten sich treffen! (auch Platon hatte eine solche Forderung erhoben, war mit ihr jedoch gescheitert). Nach seinem Tod geriet Jaspers Philosophie zunächst an den Universitäten in Vergessenheit, bis sie seit den 1980er Jahren auch international wieder zunehmende Würdigung erfuhr.
Werke u.a.: Psychologie der Weltanschauungen (1919), Philosophie (1932, 3 Bde.), Von der Wahrheit (1947).
Auszeichnungen u.a.: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1958), Erasmuspreis (1959).
Basel, Hörnli-Friedhof
Max Stirner eigentl. Johann Kaspar Schmidt
Deutscher Philosoph, Journalist und Sozialtheoretiker; studierte Philosophie und unterrichtete an einer höheren Töchterschule, in der er auch wohnte. Trotz der Apostrophierung als Junghegelianer, als dem theoretischen Anarchismus nahe stehend und als einer, der ein System eines extremen Individualismus (ethischer Solipsismus) entwickelte, wird er auch als “von liebenswürdiger Humanität durchdrungen” beschrieben. Sein 1845 erschienenes Werk Der Einzige und sein Eigentum und Stirners Auffassungen wurde von Karl Marx und Friedrich Engels heftig kritisiert.
Der Name “Stirner” wurde Schmidt von Freunden wegen seiner hohen Stirn verliehen.
Berlin, Friedhof der Sophiengemeinde Bergstr.
Deutscher Philosoph; studierte nach dem in Posen (heute Poznań, Polen) abgelegten Abitur ab 1844 in Leipzig und Halle (Saale) Philosophie, Philologie und Theologie. 1850 habilitierte er sich in Heidelberg .Dort wurde ihm unter dem Vorwurf des Pantheismus die Lehrerlaubnis (venia legendi) entzogen. Später war er Professor in Jena und Heidelberg; Fischer schuf mit seiner Kant-Monographie (1860) die Grundlage für den Neukantianismus. Er veröffentlichte außerdem Schriften zu Goethe, Lessing und Schiller.
Werke u.a.: Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre (1852), Geschichte der neueren Philosophie (8 Bde., 1852-93).
Heidelberg, Bergfriedhof
Deutscher Philosoph; Bruder von Lujo Brentano, Neffe von Clemens Brentano und Bettine von Arnim; studierte 1856 bis 1862 in München, Würzburg, Berlin und Münster Mathematik, Dichtung, Philosophie und Theologie; 1862 wurde er aufgrund seiner Dissertation Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles (in absentia) promoviert. 1864 wurde er zum Priester geweiht; in Würzburg, wo er zunächst als Privatdozent wirkte, bevor er 1872 ebendort außerordentlicher Professor wurde. Als er von Bischof Wilhelm Emmanuel Ketteler den beauftragt wurde, eine Stellungnahme zum geplanten Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes abzugeben. In dieser sprach Brentano sich gegen diese aus. Aufgrund des entstehenden Konflikts legte er 1873 sein Priesteramt und auch seine Professur nieder (aus der Kirche trat er jedoch erst 1879 aus). 1874 folgte er einem Ruf an die Universität von Wien, wo er bis 1895 Professor für Philosophie und anschließend Privatgelehrter war. 1896 ließ sich in Florenz als Privatgelehrter nieder. 1915 zog er mit der Familie, unter Protest gegen die Verwicklungen Italiens im Ersten Weltkrieg, nach Zürich. Für Brentano galt die Psychologie als Grundwissenschaft, die das Wesen des Bewußtseins in seiner Bezogenheit auf Objekte (Intentionalität i.e. Vermögen des Bewußtseins, sich auf etwas zu beziehen) versteht. Brentano beeinflußte besonders die Phänomenologie (war Lehrer u.a. Edmund Husserls, Sigmund Freuds, Rudolf Steiners und Carl Stumpf) und die Gegenstandstheorie, mit seinen Untersuchungen zur Logik der Sprache auch die Entwicklung der analytischen Philosophie und ihre Sprachtheorie. Brentano war zweimal verheiratet: ab 1880 mit Ida Lieben, und nach deren Tod seit 1897 mit Emilie Rueprecht
Werke u.a.: Psychologie vom empirischen Standpunkt (1874), Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis (1889).
Aschaffenburg, Altstadtfriedhof
Deutscher Philosoph; Sohn von Paul Johann Anselm von Feuerbach; studierte ab 1822 zunächst Theologie und 1825 Philosophie bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Berlin und wurde 1828 Privatdozent in Erlangen; als er als Autor der Schrift Gedanken über Tod und Unsterblichkeit, die anonym erschienen war, ermittelt worden war, wurde gegen ihn polizeilich ermittelt und die Schrift verboten (er hatte eine auf das Jenseits bezogene Religion als unzeitgemäß verurteilt). Damit war eine weitere akademische Karriere ausgeschlossen, seine mehrmaligen Gesuche um eine außerordentliche Professur wurden abgelehnt. Nachdem er die Hoffnung auf eine Änderung der Situation aufgegeben hatte, lebte er ab 1836 auf Schloß Bruckberg bei Ansbach und hatte das Glück, hier 1837 seine langjährige Lebensgefährtin Bertha Loew, die Tochter eines wohlhabenden Porzellanfabrikanten, zu heiraten. Dort schrieb er auch sein Werk Das Wesen des Christentums (1841), das ihn in der wissenschaftlichen Welt bekannt machte. Die Revolution von 1848 berührte auch ihn: “Der Geist, welcher die Staatsangelegenheiten nicht zur Sache einer besonderen, bevorrechteten Kaste oder Klasse von Menschen, sondern zur Sache aller, zur Volkssache machen will, wird und muß siegen; denn nur mit seinem Siege erfüllt sich die Aufgabe der Menschheit.” 1848/49 wurde er von Studenten nach Heidelberg eingeladen und hielt Vorlesungen über das Wesen der Religion. Nachdem seine Frau ihr Vermögen durch eine Fehlinvestition verloren hatte und auch er seines eingebrachten Geldes verlustig gegangen war, zogen beide 1860 auf den Rechenberg bei Nürnberg, wo sie in sehr bescheidenen Verhältnissen ohne Hoffnung auf Besserung leben mußten und wo er wegen der äußeren Umstände einer “akustischen Kloake” (Straßenlärm, Kindergeschrei und Hundegebell) nicht richtig arbeiten konnte. Nur mit Hilfe von Stiftungen und Spenden konnte Feuerbach, von mehreren Schlaganfällen getroffen, überleben, bis er in geistiger Dumpfheit starb.
Zunächst stark von Hegels Panlogismus, dem Konzept des “absoluten Geistes”, seiner intellektualistischen und monologischen Einseitigkeit und seiner Vernachlässigung der Sinnlichkeit des Menschen und den Ideen der Mystik beeinflußt, wandte sich Feuerbach im Laufe seiner philosophischen Entwicklung einem “Sensualismus” zu, dem Dualismus des “Ich und Du”, und definiert dies als “Liebe”. In seinem 1841 erschienenen Hauptwerk Das Wesen des Christentums definierte er Gott als ein vom Menschen geschaffenes Wesen, in das der Mensch seine Nöte, Wünsche und Ideale projiziere, besonders, was die Unsterblichkeit anbelangt: “Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf, wie ich im ‘Wesen des Christentums’ zeigte, Gott nach seinem Bilde”.
Feuerbachs Anthropologie - insbesondere der Begriff der Entfremdung - hatte starken Einfluß auf Gedanken des frühen Karl Marx und auf die Entwicklung Friedrich Engels.
Nürnberg, St. Johannisfriedhof
Italienischer Philosoph und Politiker; studierte Theologie am Priesterkolleg der Oratorianer in Turin und wurde 1825 zum Priester geweiht; bis 1833 war er Kaplan des Königs Karl Albert von Sardinien, wurde dann aber wegen seiner Beziehungen zum Giovine Italia (Junges Italien), einer Bewegung, die sich für die Einheit Italien einsetzte, verhaftet, unter Anklage wegen einer Verschwörung gestellt, dann aber ohne Gerichtsverfahren verbannt. Er ging zunächst nach Paris und ein Jahr später weiter nach Brüssel, wo er in einer privaten Einrichtung als Dozent für Philosophie tätig war. 1846 kehrte er nach Paris zurück und lehrte auch dort als Dozent für Theologie und Philosophie, bevor er 1848 aufgrund einer Amnestie in die Heimat zurückkehrte und - dort durch seine Veröffentlichung bereits bekannt - im Dezember 1848 Ministerpräsident des Königreichs Sardinien-Piemont. wurde. Als Viktor Emanuel II., Sohn Karl Alberts, im März 1849 zum König von Sardinien-Piemont gekrönt worden war und die politischen Ämter neu verteilt wurden, entsandte man Gioberti als Vertreter des Königreichs an den Hof nach Frankreich, um dort die Interessen seines Landes zu vertreten. Nach seiner Abberufung von diesem Posten ging er wieder nach Brüssel, um sich seinen eigenen Forschungen und Studien zu widmen. Eine ihm auf Betreiben von Papst Pius IX. angebotene Ehrenrente, verbunden mit der Aussicht auf eine Stellung innerhalb der Kirchen, lehnte er ab. Seine letzten Jahre verbrachte Vincenzo Gioberti in Armut und vergessen in Paris.
Werke u.a.: Del primato morale e civile degli Italiani (2. Aufl. 1845), Il Gesuita moderno (5 Bde., 1847).
Turin, Cimitero Monumentale
Deutscher Philosoph; Sohn eines Ingenieurs; studierte nach dem Abitur am deutschsprachigen Gymnasium in Sankt Petersburg 1902 und 1903 zunächst Medizin in Dorpat (heute Tartu, Estland), begann dann aber ein Studium der klassischen Philologie und Philosophie in Sankt Petersburg, das er 1905 in Marburg an der Lahn fortsetzte, wo er v.a. die Neukantianer Hermann Cohen und Paul Natorp hörte. Im Jahr 1907 promovierte er mit der ArbeitDas Seinsproblem in der griechischen Philosophie vor Plato, und zwei Jahre später, im Jahr seiner Habilitation, erschien eines seiner wichtigsten Werke unter dem Titel Platos Logik des Seins. Während des Ersten Weltkrieges diente er in der deutschen Armee bis zum Kriegsende als Dolmetscher, Briefzensor und Nachrichtenoffizier. Nach dem Krieg war er in Marburg zunächst als Privatdozent tätig, 1920 wurde Hartmann dann außerordentlicher Professor. Zwei Jahre später wurde er als Nachfolger von Paul Natorp ordentlicher Professor auf dem Lehrstuhl für Philosophie. 1925 wechselte er nach Köln, wo er Kontakt zu Max Scheler bekam. Im Folgejahr erschien sein zweites bedeutendes Werk, Ethik, in dem er eine materielle Werteethik entwarf. 1931 folgte er einem Ruf nach Berlin auf den Lehrstuhl für theoretische Philosophie; 1946 wechselte er schließlich nach Göttingen.
Hartmann gilt als Fundamentalontologe, als bedeutender Vertreter des kritischen Realismus und als einer der wichtigen Erneuerer der Metaphysik im 20. Jahrhundert.
Werke u.a.: Philosophische Grundfragen der Biologie (1912), Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis (1921), Die Philosophie des deutschen Idealismus (2 Bde., 1923-29), Das Problem des geistigen Seins. Untersuchungen zur Grundlegung der Geschichtsphilosophie und der Geisteswissenschaften (1933), Zur Grundlegung der Ontologie (1935), Möglichkeit und Wirklichkeit (1938), Der Aufbau der realen Welt (1940), Neue Wege der Ontologie (1942), Philosophie der Natur (1950), Teleologisches Denken (1951), Ästhetik (herausgegeben 1953).
Göttingen, Stadtfriedhof
Günther Anders eigentl. Günther Siegmund Stern
Österreichischer Philosoph und Schriftsteller; kam 1915 mit seiner Familie - Vater William Stern und Mutter Clara waren Psychologen - nach Hamburg; studierte in Freiburg im Breisgau Philosophie u.a. bei Ernst Cassirer, bei Edmund Husserl und dessen Nachfolger Martin Heidegger und lebte danach als freier Schriftsteller in Berlin (zu dieser Zeit legte er sich das Pseudonym Günther Anders zu, unter dem er später immer veröffentlichte). 1929 heiratete er in Berlin Hannah Arendt, die er 1925 in Marburg an der Lahn kennengelernt und in Berlin wiedergetroffen hatte. Sie bezogen in Frankfurt am Main, wo Arendt für die Frankfurter Zeitung schrieb, eine gemeinsame Wohnung (die Ehe zerbrach 1937). Nach der “Machtergreifung” Hitlers im Jahre 1933 ging er nach Paris, bevor er 1936 in die Vereinigten Staaten emigrierte, wo im New Yorker, von deutschen Emigranten gegründeten Aufbau Verlag Geschichten und Erzählungen von ihm erschienen, mit denen er sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen versuchte, wobei er allerdings sich auch mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen mußte, u.a. als Fabrikarbeiter in Los Angeles. 1950 kehrte Anders nach Europa zurück, ließ sich aber in Wien nieder, wo er bis zu seinem Tode als freier Schriftsteller lebte. Anders engagierte sich auch in der Antiatom- und der Antivietnamkriegsbewegung.
Anders schrieb den antifaschistischen Roman Die molussische Katakombe, der erst 1992 veröffentlicht wurde, diverse kultur- und technikkritische Essays u.a. in Die Antiquiertheit des Menschen (2 Bde., 1956 und 1980), Analysen zu Rundfunk und Fernsehen,.
Werke u.a.: Über das Haben (1928), Der Hungermarsch (1936), Kafka. Pro und contra (1951), Wir Eichmannsöhne (1964), Endzeit und Zeitenende (1972), Ketzereien (1982), Mensch ohne Welt. Schriften zur Kunst und Literatur (1984), Tagebücher und Gedichte (1985).
Auszeichnungen u.a.: Deutscher Kritikerpreis (1967), Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1979), Theodor-W.-Adorno-Preis der Stadt Frankfurt (1983),
Wien, Hernalser Friedhof
Französischer Sozialphilosoph und Publizist; Sohn eines bankrotten Weinhändlers; studierte an der École Polytechnique in Paris und arbeitete nach dem Abschluß des Studiums als Ingebieur in der Behörde für Brücken und Straßen; er blieb bis 1891 in Staatsdiensten.
Ab 1892 als freier Philosoph tätig, war Sorel zunächst Anhänger der marxistischen Arbeiterbewegung, dann der Vordenker der anarchosyndikalistischen Bewegung (Syndikalismus). Er vertrat die Meinung, daß die Macht von der heruntergekommenen Mittelklasse auf die Arbeiterklasse übergehen müsse und daß die Macht nur durch einen gewalttätigen Generalstreik zu erlangen sei. Zuletzt näherte er sich einem autoritären und faschistischen Standpunkt an. Seine Lehre von der Gewalt als politische Triebkraft hatte starke Wirkung auf viele Politiker, u. a. auf Benito Mussolini.
Werke u.a.: Réflexions sur la violence (1908., dt. Überlegungen zur Gewalt).
Tenay (Dép. Ain), cimetière municipal
Karl Robert Eduard von Hartmann
Deutscher Philosoph; Sohn eines preußischen Generals; trat 1858 in das Gardeartillerieregiment ein und besuchte die Artillerieschule, mußte 1865 jedoch wegen eines Knieleidens seinen Abschied nehmen. Er studierte anschließend an der Universität Rostock, promovierte dort 1867 und lebte dann als Schriftsteller wieder in Groß-Lichterfelde. Ein Jahr später erschien sein Hauptwerk Philosophie des Unbewußten, in dem er eine Synthese zwischen dem Hegelschen Entwicklungssystem, dem Willensbegriff Arthur Schopenhauers und Friedrich Wilhelm von Schellings Begriff des Unbewußten für den letzten Weltgrund, den Allgeist und die Weltsubstanz zur Philosophie des Unbewußten herzustellen suchte. Hartmann, erkenntnistheoretisch einer der ersten “kritischen Realisten”, beschäftigte sich auch mit Ethik, Ästhetik, Christentum und Judentum beschäftigte, näherte sich schließlich dem Buddhismus.
Werke u.a.: Ästhetik (2 Bde., 1886-88), Geschichte der Metaphysik (2 Bde., 1899/1900), System der Philosophie im Grundriß (8 Bde., herausgegeben 1907-09).
Inschrift: Die Philosophie ist die größte Macht unter den Mächten des Geistes.
Berlin-Neukölln, Friedhof Columbiadamm
Omnibus salutem!