Bad Ems OT Frücht (Rhein-Lahn-Kreis),
Darmstadt, Alter Friedhof
Darmstadt, Waldfriedhof
Ettenheim, Pfarrkirche
Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein
Nassauischer Jurist, Politiker und Reformer; einer Reichsritterfamilie entstammend, im Geiste des Pietismus erzogen und der Tradition des Heiligen Römischen Reiches verbunden, praktizierte er, nachdem er von 1773 bis 1777 in Göttingen Rechts- und Geschichtswissenschaften sowie Kameralistik studiert hatte, am Reichskammergericht in Wetzlar und unternahm Studienreisen durch Süddeutschland, wo er Fürstenhöfe besuchte, zum Reichstag nach Regensburg und zum Reichshofrat in Wien reiste. Diese und seine während seiner Studienzeit in England gewonnenen Beobachtungen zum dortigen Verfassungsrecht beeindruckten ihn sehr und fanden Einfluß in seine politische Tätigkeit. 1780 trat er in den preußischen Staatsdienst ein. 1796 wurde er Oberpräsident der westfälischen Kammern, 1803 Oberkammerpräsident von Münster und Hamm und schließlich 1804 zum preußischen Finanz- und Wirtschaftsminister ernannt. Um Preußen gegen Napoléon zu rüsten, führte er wichtige ökonomische Maßnahmen wie u.a. die Aufhebung der Binnenzölle durch, konnte jedoch die Ablösung der königlichen Kabinetts- durch eine zeitgemäße Ministerialregierung gegen den Widerstand der preußischen Adels nicht durchsetzen. Aus Abneigung gegen die Kabinettsregierung lehnte er nach der Niederlage von Jena und Auerstedt (1806) das Angebot, das Außenministerium zu übernehmen, ab, worauf er von König Friedrich Wilhelm III. am 3.1.1807 in Ungnade entlassen wurde und sich auf sein Gut in Nassau zurückzog, wo er die Naussauer Denkschrift zur Reform der Verwaltung verfaßte, in der er mehr Selbstverwaltung für die Gemeinden und Selbstbestimmung der Bürger einforderte. Als Preußen im Frieden von Tilsit große Gebiete abtreten mußte und von französischen Truppen besetzt war, berief Friedrich Wilhelm III. vom Stein auf Drängen Napoléons und Empfehlung des “Aufsteigers” von Hardenberg am 10.7. erneut zum Staatsminister. Er und Hardenberg leiteten nunmehr notwendige Reformen ein, die zugleich dringend eine breite Zustimmung des Volkes finden sollten. So hob das Edikt vom 9.10.1807 die bäuerliche Erbuntertänigkeit in ganz Preußen auf und beseitigte alle ständischen Beschränkungen; diese Regelung veränderte zwar langfristig die sozialen Verhältnisse in Preußen und später in Deutschland grundlegend, waren aber nicht unumstritten, weil sie einen Großteil der “freien” Bauern, die ihr Land nicht freikaufen konnten, in finanzielle Abhängigkeit zu den größer werdenden Rittergutsbesitzern brachte: Die Folge war ein zunehmendes Tagelöhnertum von verarmten Kleinbauern. Die ebenfalls durch von Stein eingeführte Städteordnung vom 19.11.1808 zur Selbstverwaltung trug der tatsächlichen Entwicklung in den Städten Rechnung; das Edikt vom 24.11.1808 schuf ein modernes Staatsministerium mit Fachressorts. Weitere Ansätze zu Reformen wurden nicht mehr durchgeführt. Als ein Brief abgefangen wurde, in dem er Pläne zu einem deutschen Volksaufstand darlegte, und den Franzosen zur Kenntnis gelangte, bat Stein, um Schaden von Preußen fernzuhalten, Friedrich Wilhelm III. um Entlassung, der dieser am 24.11.1808 nachkam. Als Flüchtling hielt er sich in Brünn, in Troppau und in Prag auf und beriet ab 1812 Zar Alexander I. von Rußland. Als Abgeordneter des Zaren rief er 1813 in Königsberg die ostpreußischen Stände zum Kampf gegen Napoléon auf und vermittelt kurz darauf von Breslau das preußisch-russische Bündnis von Kalisch. Ab 1818 lebte er zurückgezogen in Westfalen.
Heinrich Wilhelm August Freiherr von Gagern
Deutscher Politiker; einem alten Rügener Adelsgeschlecht entstammend, Sohn des Staatsmanns und politischen Schriftstellers Hans von Gagern; Bruder von Friedrich von Gagern; besuchte nach dem Abitur von 1812 bis 1814 die Militärschule in München, trat 1814 in den nassauischen Militärdienst ein und nahm als nassauisch-weilburgischer Offizier an den Befreiungskämpfen teil, unter anderem 1815 an der Schlacht bei Belle Alliance/Waterloo. Nach dem Ende des Krieges studierte er an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, wo er die Allgemeine Deutsche Burschenschaft mitbegründete, sowie an der Georg-August-Universität in Göttingen (1817-18), an der Universität Jena (1818-19), an der er 1818 Mitglied der Urburschschenschaft wurde, und in schließlich Genf (1819) Rechtswissenschaften. Nach Abschluß des Studium trat Gagern 1821 in den Staatsdienst von Hessen-Darmstadt ein, war Landgerichtsassessor in Lorsch, für das er in die Zweite Kammer des Landtags von Hessen-Darmstadt gewählt wurde, und Darmstadt. 1832 wurde er in die zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen gewählt, wurde jedoch aufgrund seiner liberalen politischen Haltung bereits ein Jahr später nach Auflösung des Landtages pensioniert; Gagern, der auf die Pension verzichtete, lebte danach als Grundbesitzer in Auerbach und betätigte sich als politischer Schriftsteller; 1847 war er einer der Gründer und Herausgeber der Deutschen Zeitung. Als die Bewegung von 1848 begann, nahm er am 5.3. in Heidelberg an der Beratung über die Berufung eines Vorparlaments teil, wurde zunächst Mitglied des Vorparlaments und am 19.5.1848 als Erster zum Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Unter seiner Mitwirkung entstand eine kleindeutsche Reichsverfassung, die eine konstitutionelle Monarchie unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. vorsah.. Am 17.12.1848 wurde er zum Reichsministerpräsidenten bestellt und amtierte darin sowohl als Reichsinnen- und Reichsaußenminister. Ein halbes Jahr später, am 10.5.1849 trat er von diesem Amt zurück, nachdem ihm klar geworden war, daß die Politik der gemäßigten Liberalen endgültig gescheitert war, das Parlament aufgrund monarchischen Druckes Auflösungserscheinungen zeigte und sich in der Folge radikalisierte. Am 24. Mai legte er auch sein Abgeordnetenmandat nieder. Nach der Auflösung der Nationalversammlung unterstützte er im Gothaer Nachparlament und im Erfurter Unionsparlament die preußische Unionspolitik. 1850 nahm er als Major am Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848-51) teil. 1862 war Gagern als Gesandter Hessen-Darmstadts in Wien, und von 1866 bis 1872 gehörte er erneut der hessischen zweiten Kammer an. Er lebte überwiegend in Monsheim bei Worms und in Darmstadt,
Inschrift: Seelig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Die Liebe ist stärker als der Tod.
Auf dem Architrav: IN MAGNIS ET VOLVISSE SAT EST [Bei bedeutenden Vorhaben ist es genug, seinen guten Willen gezeigt zu haben. (Properz, elegiarum liber 2, 6, 10)].
Karl Wilhelm Heinrich Freiherr du Bos du Thil
Hessischer Staatsminister, ältester Sohn eines Offiziers in herzoglich Braunschweigischen Diensten; Bruder von Friedrich und Hans von Gagern; zunächst auf dem väterlichen Gut Hof Groß bei Hungen (Ldkrs. Gießen) unterrichtet, besuchte anschließend die Schule im Schweizer Neuchâtel-Neuenburg und dann die Karlsschule in Stuttgart und begann 1793 ein Studium der Rechtswissenschaft zunächst an der Universität Tübingen, das er zwei Jahre später in Göttingen fortsetzte. Nach dem Studium wirkte er am Reichskammergericht in Wetzlar, bevor er 1799 Assessor im Fürstlich Solms-Braunfelser Regierungskollegium und später dort Regierungsrat und 1821 Außen- und Finanzminister wurde. Er führte 1828 den Zollverein zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt ein, mit dem die Geschichte des Deutschen Zollvereins beginnt. Er vertrat die Restaurationspolitik Metternichs und mußte 1848 zurücktreten. An seiner Stelle wurde Heinrich von Gagern als Minister des Innern ins Kabinett berufen.
Deutscher Politiker (SPD); meldete sich unmittelbar nach dem Abitur 1914 zur Armee. Mehrmals wegen Tapferkeit ausgezeichnet (EK1 und EK2), begann er 1917 in Heidelberg ein Studium der Volkswirtschaft, das er nach dem Ende des Kriegesa in Freiburg im Breisgau und Frankfurt am Main fortsetzte. Mierendorff, seit 1920 Mitglied der SPD, war von 1926 bis 1928 Sekretär der SPD-Reichstagsfraktion und wurde Pressereferent des hessischen Innenministers Wilhelm Leuschner. 1930 wurde er Mitglied des Reichtags und war von 1933 bis 1938 im KZ inhaftiert. Seit 1941 war er Verbindungsmann zum Kreisauer Kreis, dem u.a. der Jurist Peter Graf York von Wartenburg (*1904, †1944), der Theologe Eugen Gerstenmaier, der Jurist Adam von Trott zu Solz, die Jesuitenpatres Alfred Delp und August Rösch, der Pädagoge und Sozialdemokrat Adolf Reichwein, der Jurist Hans Peters, der Geistliche Harald Poelchau und die sozialdemokratischen Politiker Theodor Haubach und Julius Leber angehörten.
Louis René Éduard Fürst von Rohan-Guémené
Französischer Kardinal; 1759 wurde er Koadjutor seines Onkels, des Straßburger Fürstbischofs Louis César Constantin de Rohan-Guémené, und begrüßte in dieser Eigenschaft im Mai 1770 die Tochter Maria Theresias, Marie Antoinette, bei ihrer Ankunft in Frankreich vor dem Straßburger Münster. 1772 wurde er französischer Gesandter in Wien am Hofe Maria Theresias, wo er sich deren Zorn wegen seines aufwendigen Lebensstils zuzog und in Ungnade fiel. Nachdem Marie Antoinette Königin geworden war, veranlaßte sie seine Abberufung vom Hofe ihrer Mutter. 1785 war Rohan in die Halsbandaffaire um die Königin Marie Antoinette verwickelt, in der die Gräfin de la Motte, eine Nachfahrin aus dem Hause Valois, den in bei der Königin Ungnade gefallenen Kardinal überzeugte, ihre Anerkennung zu erlangen, falls er ihr diskret ein Diamanthalsband beschaffen würde. Rohan bürgte für 1,6 Millionen Livres für das bei dem Pariser Juwelier Böhmer bestellte das Halsband und händigte das Halsband der Gräfin de la Motte aus, deren Ehemann es nach London brachte, um dort die Diamanten einzeln zu verkaufen. Als der Juwelier vergeblich auf die Zahlung wartete, wurde Anzeige erstattet, und Cagliostro und die Gräfin wurden verhaftet; ebenso Rohan, der gerade - noch völlig ahnungslos über das, in was er verwickelt war - eine Messe zu Maria Himmelfahrt (15.8.) zu halten sich anschickte. Er und Cagliostro, den La Motte beschuldigt hatte, den Schmuck an sich genommen zu haben, wurden schließlich freigesprochen; letzterer mußte allerdings das Land verlassen. Die Gräfin wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, konnte aber später nach England entkommen. Rohan floh 1790 vor der Französischen Revolution in die rechtsrheinischen Besitzungen des Bistums Straßburgs, wo er in Ettenheim residierte und von dort aus eine Konterrevolution zur Vertreibung der französischen Revolutionäre plante, mußte jedoch die Stadt 1796 verlassen. 1801 konnte er zwar aufgrund des Friedens von Lunéville wieder dorthin zurückkehren, verlor aber durch die Neuordnung des Bistums Straßburg die linksrheinischen Besitzungen und kurz darauf durch den Reichsdeputationshauptschluß auch den Einfluß auf die rechtsrheinischen Ämter des alten Straßburger Bistums, die im Zuge der Neuordnung Deutschlands an Baden fielen. Er starb hoch verschuldet während einer Grippeepidemie.
Inschrift (mittlere Bilder): In expectatoribus beatae resurrectionis hic requiescit eminentissimus priceps Ludovicus Renatus Eduardus de Rohan-Guemenee s.r.c. cardinalis episcopus argentinensis 1734-1803 una cum suo doritano 1720-1799 r.i.p. [dt. In Erwartung einer glücklichen Auferstehung ruht hier der hervorragende Fürst ....].
Inschrift auf der Grabplatte: Nach der Erlösung durch Gott das ewige Leben erwartend ruht hier.....
Deutscher Staatsmann, Nationalökonom, Reichskanzler (13.3.-22.11.1923) und Reichsaußenminister einer großen Koalition bestehend aus SPD, Zentrum, DDP, DVP; studierte in Berlin und Leipzig Volkswirtschaftslehre und war ab 1902 Syndikus im Verband sächsischer Industrieller, von 1907 bis 1912 und 1914 bis 1918 MdR (Nationalliberaler), wurde 1917 Fraktionsvorsitzender der Partei. Während des Ersten Weltkrieges unterstützte er die deutsche Annexionspolitik und bejahte u.a. den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, war mit von Hindenburg und Ludendorff 1917 am Sturz des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg beteiligt, 1919 Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und ab 1920 MdR als Fraktionsvorsitzender seiner Partei, führte daneben den Vorsitz im außenpolitischen Ausschuß des Reichstages, wurde nach anfänglicher Ablehnung des Versailler Vertrags und der Republik “Realpolitiker”. Nach dem Sturz seiner Regierung am 22. 11.1923 diente er bis zu seinem Tod als Außenminister in verschiedenen Koalitionsregierungen. Stresemann und sein französischer Amtskollege Aristide Briand, der 1925 entscheidend zum Zustandenkommen der Verträge von Locarno beitrug, wurden 1926 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Stresemann, der an einer chronischen Stoffwechselkrankheit litt und bereits im Juni 1919 einen ersten Herzanfall erlitt, wiederholt seine Regierungsgeschäfte zu Genesungszwecken oder zu Kuraufenthalten unterbrechen mußte und seit 1928 gesundheitlich stark angeschlagen war, starb an den Folgen eines Schlaganfalls.
Oktober 1925 in Locarno, Stresemann mit Chamberlain und Briand (v.lks.)
Berlin, Luisenstädtischer Friedhof, Bergmannstr.
Willy Brandt eigentl. Karl Herbert Frahm
Quelle: http://arcweb.archives.gov
Deutscher Journalist, Politiker (SPD), MdB (1949-57), Regierender Bürgermeister Berlins (1957-66), 4. Bundeskanzler (1969-74); Vorsitzender der SPD (bis 1987) und bis zu seinem Tode Ehrenvorsitzender seiner Partei. Sohn des Lehrers John Heinrich Möller (†1958) und der Verkäuferin Martha Frahm, née Ewert (*1894, †1969); wuchs zunächst bei seiner Mutter, dann bei seinem Stiefgroßvater Ludwig Frahm auf (seinen leiblichen Vater hat er niemals persönlich kennengelernt). 1930 wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), brach aber mit der Partei und schloß sich der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) an, deren Lübecker Ortsverbands er mitbegründete und deren Vorstandsmitglied er wurde. Als Hitler 1933 Reichskanzler und auch die SAPD verboten wurde, emigrierte er noch im selben Jahr nach Norwegen, war dort und in Schweden bis 1945 als Journalist tätig, kehrte 1945 als Berichterstatter für die skandinavische Arbeiterpresse beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess nach Deutschland zurück und arbeitete ab 1947 als Presseattaché der norwegischen Vertretung beim alliierten Kontrollrat in Berlin. Bei der Bundestagswahl 1961 trat Brandt, der seit 1957 Regierende Bürgermeister Berlins war, erstmals als Kanzlerkandidat seiner Partei gegen den damals 85 Jahre alten Bundeskanzler Konrad Adenauer an, der ihn im Wahlkampf mehrmals diffamierend als ”Brandt alias Frahm“ bezeichnet und auf seine uneheliche Geburt hingewiesen hatte. Dieses und auch die Instrumentalisierung seines Privatlebens in der öffentlichen Auseinandersetzung, die später auch wiederholt wurden, trafen Brandt persönlich schwer. Nachdem Ludwig Erhard am 1.12.1966 zurückgetreten und Kurt Georg Kiesinger (CDU) zum Bundeskanzler gewählt war und mit der SPD eine Große Koalition gebildet hatte, trat Brandt, der 1962 auf Initiative von Herbert Wehner den stellvertretenden Parteivorsitz und 1964 als Nachfolger des verstorbenen Erich Ollenhauer den Bundesvorsitz der SPD übernommen hatte, von seinem Berliner Amt zurück, übernahm das Amt des Außenministers und wurde zugleich Vizekanzler der Regierung Kiesinger. Als solcher bemühte er sich um eine Verbesserung des Verhältnisses zu den europäischen Nachbarn im Osten, insbesondere mit Polen und der Sowjetunion. Nach der Bundestagswahl im Jahre 1969, in der die SPD ca. 1 Million Wähler hinzugewonnen hatte, bildete Brandt gegen den Willen von Wehner und Helmut Schmidt, die eine Fortsetzung der Großen Koalition vorgezogen hätten, eine Koalition mit der FDP und wurde Bundeskanzler. Unterstützt von Außenminister Walter Scheel, gelang es ihm durch die Grundlagenverträge mit der Sowjetunion und Polen (1970, Moskauer Vertrag und Warschauer Vertrag / Kniefall vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos) das Verhältnis zu den Staaten im Osten auf eine gut nachbarschaftliche Basis zu stellen und damit das Viermächteabkommen über Berlin (1971), den Grundvertrag mit der DDR (1972) und den deutsch-tschechoslowakischen Vertrag (1973) erst zu ermöglichen. Und er errang wegen seiner Ostpolitik (“Wandel durch Annäherung”) international Anerkennung. Am 27.4.1972 scheiterte in einer Kampfabstimmung ein von Rainer Barzel (CDU) gegen ihn gerichtetes konstruktives Mißtrauensvotum mit 247 gegen 249 Stimmen, da, wie sich erst viel später herausstellte, die DDR-Staatssicherheit zwei Abgeordnete der Union bestochen hatte, die dann entsprechend gegen Barzel stimmten. Innenpolitisch begann er die Umsetzung von Reformen (“Mehr Demokratie wagen”). Am 7.5.1974 trat Willy Brandt im Zusammenhang mit einer Spionageaffäre, der sogenannten Guillaume-Affäre, als Bundeskanzler zurück. Zwei Jahre nach seinem Rücktritt zum Vorsitzenden der sozialistischen Internationalen gewählt (1976-92), unterstützte er die sozialistischen Politiker Mário Soares in Portugal und Filippe Suarez Gonzales (*1942) in Spanien bei ihrem Kampf um die Demokratie in ihren Ländern.
Auszeichnungen u.a.: Friedensnobelpreis (1971).
Deutscher Politiker (SPD); der Sohn eines Kapitäns studierte er in Marburg, München und Münster Germanistik, Geschichte, Geographie, Philosophie und Volkswirtschaft. 1912 wurde er Mitglied der SPD, als Kriegsgefangener in Rußland schloß er sich Lenin an, war Volkskommisar in der wolga-deutschen Republik. Nach der Rückkehr nach Deutschland 1918 trat er von der KPD zur SPD über; Initiator der Berliner Verkehrsbetriebe, ab 1931 wurde er Oberbürgermeister von Magdeburg und 1932 Reichstagsabgeordneter. Nach der “Machtübernahme” der Nationalsozialisten verließ er 1933 das Reich und ging in die Türkei, wo er in Ankara im Verkehrsministerium arbeitete und Professor an dem heutigen Ernst-Reuter-Institut war. 1935 kamen seine Frau und sein Sohn Edzard (*1928, †2024), Unternehmer und spätere Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG., nach. 1946 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Am 24.6.1947 wurde er zum Oberbürgermeister Berlins gewählt; während der Berliner Blockade motivierte er die Berliner als “Lichtgestalt” zum Durchhalten - berühmt seine Rede vor dem zerstörten Reichstagsgebäude, in welcher er die westlichen Staaten aufforderte, West-Berlin nicht aufzugeben (“... Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika und in Frankreich, schaut auf diese Stadt! ...”). Nach dem Inkrafttreten der neuen Berliner Verfassung wurde Reuter am 18.1.1951 zum Regierenden Bürgermeister gewählt.
Mao Tse-tung (Mao Zedong) [chin. 毛泽东]
Chinesischer Politiker; der Sohn eines wohlhabenden Bauern war zunächst Lehrer und wurde 1918 Hilfsbibliothekar in Beijing; seit 1920 bekannte er sich zum Marxismus, war 1921 in Shanghai eines der Gründungsmitglieder der KPCh. Sein Ziel war, die Schmach der China durch Fremdbesatzung und -ausbeutung unterlag, zu beenden. 1934/35 ging er auf den sog. Langen Marsch, den von der Kommunistischen Partei Chinas später zum Heldenmythos stilisierten militärischen Rückzug der Streitkräfte der KPCh, um sich aus der Einkreisung durch die Armee Tschiang Kai-sheks zu befreien. Im Gegensatz zu den später erfundenen Ereignissen, fanden gemäß Maos Maxime, einen Gegner nicht anzugreifen, es sei denn, man sei diesem wenigstens 7-fach überlegen, kaum Kämpfe statt. Nach der Bedrohung Chinas durch den japanischen Angriff 1937, der Bombardierung der Städte und dem massenhaften Zulauf der Bevölkerung auf der Flucht vor den Japanern stimmte er einer Einheitsfront zwischen KP und der KMT Tschiang Kai-sheks zu, vertrieb ihn und seine Anhänger später jedoch nach Taiwan und rief am 1.10.1949 auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Volksrepublik China aus (s.o. Tondokument),
Volkszeitung vom 1.10.1949 anläßlich der Ausrufung der Volksrepublik China
mehrere Kampagnen, die dem Erhalt seiner und der Macht der Partei dienten (100-Blumen-Bewegung 1957, Großer Sprung nach vorn1 1958-62, Kulturrevolution 1966-76), brachten ca. 70 Millionen Chinesen den Tod, das intellektuelle Leben vollständig zum Stillstand (Universitäten wurden geschlossen, Schüler und Studenten zur Landarbeit abkommandiert) und isolierten China außenpolitisch. Im Rahmen der Kulturrevolution wurden zahlreiche Kulturdenkmäler unwiderruflich zerstört. Mao anerkannte zunächst Stalin als den Führer der weltweiten kommunistischen Bewegung. Als nach dessen Tod im Jahre 1953 der Personenkult, dem Mao nach dem Vorbild Stalins huldigte, durch Chruschtschow als Fehler erkannt und abgeschafft wurde, ging er zur Sowjetunion auf Distanz.
Mao war in zweiter Ehe mit Jiang Qing, von Haus aus Schauspielerin, verheiratet (1939), die die treibende Kraft bei der Kulturrevolution war und besonders nach dem Tod Maos auf die Partei und Politik Chinas Einfluß zu nehmen versuchte. Sie wurde - zusammen mit den anderen Mitgliedern der sog. Viererbande - am 25.1.1981 zum Todes verurteilt, jedoch 1983 zu lebenslanger Haft begnadigt und 1984 aus der Haft entlassen; 1991 beging sie Selbstmord.
Mao Zedong während des “Langen Marsches”.... mit Jiang Qing.
“Für das Volk arbeiten”
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1 Dabei werden völlig unsinnige und kontraproduktive Aktionen in Gang gesetzt; so mußten etwa bei der ”Große Spatzenkampagne“ (打|麻|雀|运|动) oder ”Kampagne zum Töten der Spatzen“ (消灭麻雀运动) Hunderttausende von Chinesen stundenlang Lärm machen und mit Stöcken in der Luft herumwedeln, damit Spatzen nicht nicht landen können und schließlich erschöpft vom Himmel fallen. Tatsächlich gelang es, Unmengen von Sperlingen auf diese Weise zu töten. Später ließ Mao dann Spatzen aus der Sowjetunion importieren, um der wegen der fehlenden Spatzen ausgebrochenen Insektenplage Herr zu werden. Oder um Großbritannien innerhalb von 15 Jahren wirtschaftlich zu überflügeln, versuchte eine große Stahlindustrie zu etablieren. Um ihren den nötigen Rohstahl zu liefern, mußten die Bauern ihr Eßgeschirr, ihre Kochtöpfe, ja selbst ihre Pflüge einschmelzen.
Beijing (Peking), Mausoleum, Tian’anmen-Platz
Berlin, Waldfriedhof, Potsdamer Chaussee
Berlin, Waldfriedhof, Potsdamer Chaussee
Rede Maos anläßlich der Ausrufung der Chinesischen Volksrepublik auf dem Platz des Himmlischen Frieden am 1.10.1949
Maos Geburtshaus in Shaoshan (Prov. Hunan)
Die sog. Mao-Bibel - Worte des Großen Vorsitzenden (3.Aufl. 1968)
Rechts außen: Jiang Qing
Darmstadt, Alter Friedhof
US-amerikanischer Politiker; 4. Präsident der Vereinigten Staaten (1809-1817) zu deren Gündungsvätern er gezählt wird; Madison wuchs in einer wohlhabenden Pflanzerfamilie im Virginia der Dreizehn Kolonien auf. 1776 wurde Madison in den Konvent von Virginia gewählt, wo er vehement für die Unabhängigkeit der Kolonien vom Mutterland eintrat. 1783 wurde Madison Mitglied des Parlaments von Virginia und brachte als Verfechter einer strikten Trennung von Kirche und Staat das Parlament zur Annahme des von Thomas Jefferson, dessen Außenminister er von 1801 bis 1809 sein wird, entworfenen Gesetzes zur Religionsfreiheit in Virginia.
Nach seiner Wahl in das amerikanische Repräsentantenhaus 1789 initiierte Madison die ersten zehn Zusätze zur Verfassung (die Bill of Rights) zum Schutz der Grundrechte des Einzelnen. In der US-amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung, war er einer der Führer und gilt aufgrund seiner Rolle im Verfassungskonvent als ”Vater der Verfassung".
In den 1790er Jahren des 18. Jahrhunderts war Madison einer der Mitbegründer der Demokratisch-Republikanische Partei. Er brach 1791 mit Alexander Hamilton und den Föderalisten und opponierte gegen die Steuerpolitik der Regierung George Washingtons. Zusammen mit Thomas Jefferson und James Monroe gründete er die Republikanische Partei gegen die zentralistischen und aristokratischen Tendenzen in der Politik der regierenden Federalist Party.
In den 1790er Jahren des 18. Jahrhunderts war Madison einer der Mitbegründer der Demokratisch-Republikanische Partei.
In der Innenpolitik gab Madison dem immer stärker werdenden Nationalgefühl nach. Er führte Schutzzölle ein und stimmte der Gründung der Nationalbank zu (Second Bank of the United States), die er noch 1791 vehement abgelehnt hatte.
Außenpolitisch war Madisons bedeutendste Leistung nach dem Krieg die Aushandlung eines Abkommens über die dauerhafte Entmilitarisierung der Grenze zwischen den USA und dem Nachbarn Kanada.
Montpelier (Orange County, Virginia, USA)
Omnibus salutem!