Jean Racine

         

Französischer Dramatiker; der Sohn eines Steuerbeamten erhielt seine Ausbildung an der jansenistisch geprägten, theaterfeindlichen Schule von Port-Royal. Das Studium der Werke des Euripides und des Sophokles im griechischen Original hatte großen Einfluß auf die Erneuerung der französischen Tragödie. Schon während seines Studium in Paris freundete er sich mit Literaten an und begann zu schreiben, mußte aber aufgrund des Drucks seiner Familie Paris verlassen, um sich in Uzès auf das Priesteramt vorzubereiten. 1653 kehrte er jedoch wieder zurück und gehörte schon bald mit Molière, Corneille und Boileau-Despréaux zu den bekanntesten Dramatikern. Allerdings führten Racines Debüt in der Bühnen- und Hofwelt sowie persönlicher Ehrgeiz 1666 zum Bruch mit den Jansenisten. Trotz einiger Skandale und Affären brachten ihm seine Erfolge die Förderung durch Nicolas Boileau-Despréaux, durch einflußreiche Politiker (J.-B. Colbert) und die königliche Familie (König Ludwig XIV. und dessen Schwägerin Henriette). 1673 wurde er Mitglied der Académie française. 1677 zog er sich nach Hof- und Theaterintrigen als Bühnenautor zurück, im gleichen Jahr wurde er zusammen mit seinem Gönner Boileau-Despréaux königlicher Hofhistoriograph.

Innerhalb von zehn Jahre schrieb Racine sieben große Tragödien, die als Meisterwerke der französischen Tragödie gelten. Racine verfaßte u.a. eine Komödie nach Aristophanes, Les plaideurs (1669, dt. Die Prozeßsüchtigen), die ihn als begabten Satiriker erwies, ferner höfische und geistliche Lyrik (Cantiques spirituels, 1694, dt. Geistliche Gesänge).

Inschrift der Grabplatte: Die Überreste Jean Racines, gestorben am 21.4.1699, wurden von der Port Royal des Champ hierher gebracht und am 2. Dezember 1711 in der Nähe dieses Pfeilers beigesetzt.

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Zenta Maurina   eigentl. Senta Emma Mauring

1930

 

Lettische Schriftstellerin; Tochter eines Arztes und dessen deutschstämmigen, aus Sankt Petersburg gebürtigen Pianistin; kam 1898 mit ihren Eltern nach Grobin (heute Grobiņa), einer im Westen Lettlands gelegenen Kleinstadt in Kurland, wohin der Vater als Kreisarzt berufen worden war; seit ihrer Kindheit gelähmt, studierte sie Philologie in Riga, emigrierte nach der Besetzung Lettlands durch sowjetische Truppen im Juli 1944 zunächst nach Niederschlesien, im Februar 1945 weiter nach Sayda und nach Kriegsende schließlich nach Detmold, 1946 ging sie mit ihrem Mann mit Konstantin Raudive nach Uppsala, wo sie von 1949 bis 1963 als Gastdozentin an der Universität Vorlesungen über russische Literatur hielt. Ab 1952 unternahm sie alljährlich Vortragsreisen durch Deutschland, 1955 folgte die erste Vortragstournee durch die Schweiz. Im Mai 1965 verlegte das Paar vor allem aufgrund des ”südlichen“ Klimas ihren Wohnsitz nach Bad Krozingen. Nachdem sie im April 1978 ihren Urlaubs- und Vortragsaufenthalt in Lugano wegen eines Schlaganfalls abbrechen mußte, starb Zenta Mauriņa noch während des Rücktransports nach Bad Krozingen in einem Basler Krankenhaus.

Ihre Romane, Erzählungen und Essays - in deutsch oder lettisch verfaßt - sind durch subtile Deutung von geistigen Werten und die Mahnung zum Humanismus geprägt.

Werke u.a.: Gestalten und Schicksale (1949), Im Zuge des Lebens (1956), Die Langeweile und der gehetzte Mensch (1962), Welteinheit und die Aufgabe des Einzelnen (1963).

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Bild: Adam Jenkins (06/2005)
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Paris, Saint Étienne-Du-Mont

Hinweis: An der Säule befindet sich auch der Hinweis auf Blaise Pacals letzte Ruhestätte.

Leonard Aldous Huxley

1947no_copyright

Englischer Schriftsteller; dritter Sohn des Schriftstellers und Schulmeisters Leonard Huxley, der das Herausgeber des Cornhill Magazine, und dessen erster Frau Julia, née Arnold, die die Prior's Field School in Guildford, Surrey, im Januar 1906 gegründet hatte. Erzogen am Eton College, ging Huxley 1913, nachdem er durch eine Augenentzündung immer wieder seine Sehkraft verlor, nach Oxford, wo er mit einer Arbeit über englische Literatur promovierte. Von 1919 an arbeitete er als Journalist und Kritiker und veröffentlichte erste literarische Werke, u.a. vier Gedichtbände. Durch die Entwicklung nach Ende des Ersten Weltkriegs war er enttäuscht und pessimistisch, was in seinen ersten Werke zum Ausdruck kam. Im Gegensatz zu George Orwell mit seinem Roman 1984 hat Huxley, der seinen Roman Brave New World (Schöne neue Welt) vor Hitler und Stalin veröffentlichte (1931), einen anderen Albtraum von der Zukunft entworfen. Nicht durch Unterdrückung und Androhung des Todes, sondern durch Belohnung und höchstens sanften Druck werden die Personen gelenkt. 30 Jahre später zog er in Brave New World Revisited (1958, dt. Dreißig Jahre danach oder Wiedersehen mit der wackeren neuen Welt) sozusagen eine Bilanz seiner seit damals gemachten Erfahrungen. Seit 1938 lebte er in Kalifornien, wo er auch Drehbücher verfaßte z.B. für die Jane Austen-Literaturverfilmungen Pride and Prejudice (1940, Stolz und Vorurteil mit Laurence Olivier) und Jane Eyre (1944, Die Waise von Lowood mit Orson Welles). In den 1950er Jahren experimentierte er mit bewußtseinserweiternden Drogen, und berichtete darüber in Werken wie The Doors of Perception (1954, Die Pforten der Wahrnehmung) und dem Folgeband Heaven and Hell (1956, Himmel und Hölle).

Werke u.a.: Crome Yellow (1921, dt. Eine Gesellschaft auf dem Lande, auch: Chromgelb), Antic Hay (1923, dt. Narrenreigen), Those Barren Leaves (1925, dt. Parallelen der Liebe), Point Counter Point (1928, dt. Kontrapunkt des Lebens), Eyeless in Gaza (1936, dt. Geblendet in Gaza), After Many a Summer (1939, dt. Nach vielen Sommern), Ape and Essence (1948, dt. Affe und Wesen), Island (1962, dt. Eiland).

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Otto Julius Bernhard von Corvin-Wiersbitzki

Deutscher Schriftsteller und Journalist; auf den Militärdienst in einer Kadettenanstalt vorbereitet, war Corvin u.a. ab 1830 als Leutnant in Mainz stationiert; 1835 verließ er das Militär und schloß sich der deutschen Befreiungsbewegung an, war 1849 am badischen Aufstand beteilig und mußte als Chef des Generalstabes die Festung Rastatt, deren Verteidigung er geleitet hatte, übergeben Nach der Niederschlagung des Aufstands wurde er zum Tode verurteilt, dann aber zu einer 10-jährigen Festungshaft begnadigt; nach sechs Jahren, im Jahre 1855, wurde er entlassen. Da er sich in Deutschland weiterhin Repressalien ausgesetzt sah und von Ort zu Ort getrieben wurde,, ging er nach England “to eat the bitter bread of banishment”. In London, wurde Mitarbeiter des englischen Schriftstellers Charles Dickens sowie Mitarbeiter der Times und Korrespondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung, in deren Auftrag er den amerikanischen Bürgerkrieg beobachtete und kam schließlich als Korrespondent der New York Times nach Deutschland zurück.und gab dort bald eine überarbeitete Ausgabe seiner zweibändigen gegen die katholische Kirche gerichteten Kampfschrift Pfaffenspiegel heraus, die 1845 in Leipzig, wo er Mitbegründer des Schriftstellervereins war, erstmals erschienen war, zunächst unter dem Titel Historische Denkmale des christlichen Fanatismus erschienen war und immer wieder aufgelegt wurde, obwohl dessen Inhalt wissenschaftlicher Beurteilung nicht standhielt. Anlaß zu dieser Schrift waren die Diskussionen um die Trierer Wallfahrt von 1844 zum dort ausgestellten ”Heiligen Rock“. Zu jener Zeit war Otto von Corvin Mitarbeiter der von Friedrich Wilhelm Held herausgegebenen Wochenschrift Locomotive. Zeitung für politische Bildung des Volkes. 1871 zog er mit den preußischen Truppen in Paris ein, wo er mit seinem ehemaligen Gegenspieler Otto von Bismarck zusammentraf.

Werke u.a.: Geschichte der großen niederländischen Revolution (1848 ff), Illustrierte Weltgeschichte für das Volk (gemeinsam mit Friedrich Wilhelm Held, 4 Bde., 1844-51), Aus dem Leben eines Volkskämpfers (4 Bde., 1861ff).

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Joseph Conrad eigentl. Teodor Josef Konrad Korzeniowski

Englischer Schriftsteller polnischer Herkunft; wuchs als Sohn eines polnischen Adligen in Rußland auf, ging als 16-Jähriger nach Marseille und diente zunächst auf französischen, dann auf britischen Handelsschiffen. 1884 wurde er britischer Staatsbürger, erwarb 1886 das Kapitänspatent und befuhr bis 1894 die Meere Südamerikas und des Fernen Ostens. Seine Romane verfaßte er in englischer Sprache, obwohl er diese erst im Alter von 19 Jahren erlernt hatte; er beherrschte jedoch auch das Russische, Polnische und Französische fließend. Er schildert seine eigenen Erfahrungen und das Leben in fremden Kulturen. 1896 veröffentlichte er seinen ersten Roman An Outcast of the Islands (dt. Der Verdammte der Inseln). In Lord Jim (1900) beschreibt er die Auseinandersetzung des Menschen mit den Gewalten des Meeres. Heute gilt Conrad als der Wegbereiter des modernen englischen Romans.

Inschrift: SLEEP AFTER TOYLE, PORT AFTER STORMIE SEAS, EASE AFTER WARRE, DEATH AFTER LIFE DOES GREATLY PLEASE. Spenser (Edmund Spenser, 1552–99, englischer Dichter des elisabethanischen Zeitalters).

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Canterbury

Bad Krozingen, Friedhof

Wiesbaden, Nordfriedhof

Compton b. Guildford (Surrey)

Manfred Georg Andreas Hausmann

 

Deutscher Schriftsteller, Journalist und Laierprediger; Sohn eines Fabrikanten; schon als Jugendlicher schloß er sich der Wandervogelbewegung an; der Jugendbewegung blieb er bis in die 1960er Jahre treu. 1916 legte er das Notabitur als und nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, in dem er verwundet wurde. Nach dem Ende des Krieges studierte er in Göttingen und München Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte, absolvierte dann aber 1923/24 eine Kaufmannslehre in Bremen. Ab 1924 arbeitete er als Feuilletonredakteur bei der Weser-Zeitung; in dieser Zeit veröffentlichte er erste Novellen. 1925 gab er diese Stellung auf und zog als Landstreicher ein Jahr lang durch Deutschland. Seine auf dieser ungewöhnlichen Reise gesammelten Erfahrungen faßte er in seinem ersten Roman Lampioon küßt Mädchen und kleine Birken zusammen, der nach Erscheinen im Jahre 1928 zu einem großen Erfolg wurde und ihm gestattete, fortan als freier Schriftsteller zu leben. Er zog jetzt in die Künstlerkolonie Worpswede. 1929 unternahm er eine Amerikareise. 1932 erschien sein wohl bekanntestes Werk, Abel mit der Mundharmonika., das 1933 mit Karl Ludwig Schreiber als Abel und Karin Hardt als Corinna unter der Rege von Erich Waschneck verfilmt wurde. Zur Zeit des Dritten Reichs erschienen zahlreiche Werke. Seine Einstellung zum Nationalsozialismus ist weitgehend ungeklärt. Nach dem Ende des Krieges wandte Hausmann sich dem Christentum zu. Seit 1967 war er Ältestenprediger der evangelisch-reformierten Gemeinde in Bremen-Rönnebeck, wohin er 1950 von Worpswede, wo er zwischen 1945 und 1950 im Gemeinderat saß, gezogen war. Bis 1952 war er Chef des Feuilleton beim Weser-Kurier.

Manfred Hausmann schrieb Erzählungen, Dramen, Romane und Essays, und er übersetzte griechische, hebräische, japanische, chinesische und Werke der Eskimos.

Werke u.a.: Lilofee, Eine dramatische Ballade (1929), Salut gen Himmel (1929), Das Worpsweder Hirtenspiel (1946), Von der dreifachen Natur des Buches (1948), Zwei unter Millionen, Von Liebe und Ehe (1964).

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Bild: Heiko Bockstiegel (1995)

Bremen-Bumenthal OT Farge, Evangelischer Friedhof

Otto Braun

 

Deutscher Schriftsteller und Funktionär der KPD; Sohn eines Buchhalters und einer Lehrerin wuchs in in einem Waisenhaus auf. Zwischen 1913 und 1919 besuchte er die Lehrerbildungsanstalt in Pasing. Noch kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges wurde Braun, der sich während des Krieges der Jugendbewegung angeschlossen hatte, im Juni 1918 eingezogen, kam aber nicht mehr zum Einsatz. Nach Kriegsende trat er der Freien Sozialistischen Jugend (FSJ) bei. 1919 wurde er Mitglied der KPD, war an der Errichtung der Münchner Räterepublik und 1921 an den mitteldeutschen Aufständen beteiligt und zugleich als Redakteur der KPD-Presse tätig. Seit 1925 arbeitete er auch für die Auslandsabteilung des sowjetischen Geheimdienstes Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU) und war bis 1926 in ihrem Abwehr- und Nachrichtendienst tätig. Von 1926 bis 1928 war Braun zunächst in Untersuchungshaft, dann in Haft in Berlin-Moabit, aus der er mit Hilfe einer Gruppe unter der Leitung seiner Lebensgefährtin Olga Benario befreit wurde. Er floh nach Moskau, war dort bis 1929 Mitglied der Proletarischen Schützendivision und besuchte bis 1932 die Militärakademie ”M.W. Frunse“. 1932 entsandte ihn die Komintern nach China, wo er bis 1939 im Auftrag des militärischen Nachrichtendienstes (GRU) der Sowjetunion als militärischer Berater der Kommunistischen Internationale und Offizier der Roten Bauernarmee in China tätig war. Als die Rebellen im April 1934 in einer Feldschlacht schwere Verluste hinnehmen mußte und Braun als Berater Mao Zedongs eine weitere militärische Auseinandersetzung der Bauernarmee als zweifelhaft beurteilte, entwickelte er einen Plan, der den Ausbruch aus der Einkesselung durch die Truppen Tsching Kai-sheks ermöglichen sollte. Der Plan bedeutete, daß rund 20.000 Kranke, Frauen und Kinder zurückbleiben würden; aber Mao stimmte dem Vorschlag nach anfänglichem Zögern zu. Braum nahm als einziger Ausländer am Langen Marsch unter dem Pseudonym 李德. (Li De, Li, der Deutsche) teil. Nachdem er 1939 in die Sowjetunion zurückbeordert worden war - seine chinesische Frau Li Li-Ijän sah er nie wieder - arbeitete er in Moskau bis 1941 als Redakteur und Übersetzer für den Verlag für fremdsprachige Literatur Moskau. Bis 1946 war er Polit-Instrukteur in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern und Mitglied des Nationalkomitee Freies Deutschland. Danach lebte er als Übersetzer und seit 1951 als freier Schriftsteller in Moskau und Krasnogors, wo er an der Zentralen Antifa-Schule lehrte. Nach dem Tode Stalins erhielt er 1954 die Erlaubnis, in die 1949 gegründete DDR zurückzukehren, wo er Mitglied der SED wurde. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED war er der verantwortliche Redakteur für die deutsche Ausgabe der Werke Lenins. 1961 bis 1963 war er als Nachfolger des Schriftstellers Erwin Strittmatters 1. Sekretär des Deutschen Schriftstellerverbandes der DDR. Im Rahmen der Polemik über die Generallinie 1959 bis 1964 übte Braun heftige Kritik an der Politik der chinesischen Staats- und Parteiführung nach dem Bruch zwischen KPCh und KPdSU. Otto Braun starb im bulgarischen Warna während eines Urlaubsaufenthaltes.

Memoiren: Chinesische Aufzeichnungen (1973).

Auszeichnungen u.a.: Vaterländischer Verdienstorden (1967), Nationalpreis der DDR (1969), sowjetischer Orden des Vaterländischen Krieges, Karl-Marx-Orden und Lenin-Erinnerungsmedaille (1970).

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Bild: SpreeTom (09/2006) Wikipedia.de

Berlin, Zentralfriedhof Friedrichsfelde, Gedenkstätte der Sozialisten

Karin Struck

 

Deutsche Schriftstellerin; floh mit ihrer Familie 1953 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland; studierte nach dem Abitur im Jahre 1966 Romanistik, Germanistik und Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Während ihres Studiums wurde sie Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und später einige Jahre der Deutschen Kommunisten Partei (DKP) und engagierte sich in der Friedensbewegung. Aus der DKP trat sie allerdings aus Protest wegen die Behandlung des Dissidenten Alexander Solschenizyn durch das sowjetische Regime wieder aus. Bevor sie 1973 als freie Schriftstellerin lebte, arbeitete sie in Fabriken und Büros. Ihr erster RomanKlassenliebe, der 1973 erschien, fand große Beachtung, während die folgenden Arbeiten teilweise heftiger Kritik unterlagen; so wurde Karin Struck, deren zentrale Themen Identitätssuche und Selbstverwirklichung der meist weiblichen Protagonisten, die sie mit gesellschaftlichen, sozialen und politischen Fragestellungen verknüpfte, v.a. Formlosigkeit und eine übersensible, teilweise selbstmitleidig-klischeehafte Sprache vorgeworfen. Erst mit dem viel diskutierten Roman Blaubarts Schatten (1991), der sie als entschiedene und kompromisslose Gegnerin der Abtreibung ausweist, fand sie wieder größere Beachtung. 1992 veröffentlichte sie das Sachbuch Ich sehe mein Kind im Traum, ebenfalls zum Thema der Abtreibung. Als sie am 3.7.1992 zu einer Diskussion zum Thema Abtreibung anläßlich der Neuregelung des § 218 StGB Gast in der NDR-Talkshow war, kam es zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen ihr und Angela Merkel (*1954), der damalige Bundesministerin für Frauen und Jugend, in dessen Verlauf die heftig erregte Karin Struck aufstand und beim Verlassen der Diskussionsrunde zunächst den Mikrophonsender samt Antenne wegwarf und schließlich ein Weinglas hinter sich warf, das eine Zuschauerin im Publikum traf und verletzte. Struck publizierte auch in ihren letzten Lebensjahren, die sie in München verbrachte, hatte aber Mühe einen Verlag zu finden. Nach ihrer Konvertierung zum Katholizismus veröffentlichte sie v.a in kirchlichen Medien.

Karin Struck war zweimal verheiratet; am 8.10.1977 fand in Münster die Hochzeit mit Manfred Stobbe statt

Werke u.a.: Klassenliebe (1973), Die Mutter (1975), Lieben (1977), Trennung (1978), Die Herberge (1981), Kindheits Ende (1982), Bitteres Wasser (1988), Männertreu (1992).

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Bilder: Thomas Haas (08/2012)

München, Waldfriedhof

Wiktor Platonowitsch Nekrassow [russ. Виктор Платонович Некрасов]

Bild: Nemets777 (03/2012) Wikipedia.ru Plakette an seinem Haus in der Kreschtschatik 15 in Kiew, in dem er von 1950 bis 1974 lebte. cc_somerightsreserved

 

 

 

 

Sowjetischer Schriftsteller; Sohn eines Arztes; begann 1936 ein Studium der Architektur am Kiewer Institut für Bautechnik und besuchte parallel dazu am dortigen Theater die Schauspielschule. Nach dem Studium arbeitete er als Schauspieler und Bühnenbildner in Wjatka (heute Kirow), Wladiwostok und Rostow am Don. Im Großen Vaterländischen Krieg war er von 1941 bis 1944 an der Front Regimentsingenieur und stellvertretender Kommandeur des Bataillons und nahm an der Schlacht von Stalingrad teil. In Polen – mittlerweile im Range eines Hauptmanns – verwundet, wurde er im Früjahr 1945 aus der Armee entlassen. Nachdem seine Geschichte В окопах Сталинграда (dt. In den Schützengräben von Stalingrad), eine der ersten Veröffentlichungen, die über den Krieg, wahrheitsgemäß berichtete, 1946 in der Zeitschrift Banner veröffentlicht wurde, wurde Nekrassoiw schlagartig bekannt. Als Buch wurde die Geschichte in einer Auflage von mehreren Millionen Exemplaren verkauft und in 36 Sprachen übersetzt. Für dieses Buch, das auch von Stalin gelesen worden war, wurde er 1947 auf dessen Veranlassung mit dem Stalin-Orden 2. Grades ausgezeichnet; 1956 wurde die Geschichte nach Nekrassows Drehbuch unter dem Titel Солдаты (dt. Soldaten) verfilmt). Im Jahr 1959 erschien in der Литературная газета (Literaturnaja Gazeta) sein Roman Кира Георгиевна (dt. Kira). Im Jahr 1960 reiste er durch Italien, die USA und Frankreich und verfaßte über seine Eindrücke einen Essay, der ihm unter dem TitelТурист с тросточкой (dt. Tourist mit einem Rohrstock) in der Sowjetunion harsche Kritik einbrachte; er habe darin einen ”Kotau gegenüber dem Westen“ gemacht, wurde ihm vorgeworfen. Im Jahr 1966 unterzeichnete er gemeinsam mit 25 Kulturschaffenden und Wissenschaftlern einen Brief an den Generalsekretär der KPdSU Leonid Breschnew, der sich gegen eine Rehabilitierung Stalins aussprach. 1973 wurde Nekrassow, der 1944 Mitglied der KPdSU geworden war, aus der Partei ausgeschlossen, und Anfang 1974 wurden alle seine Manuskripte und “illegalen” Bücher aus seiner Bibliothek in Kiew beschlagnahmt. Im September des selben Jahres wurde ihm eine Reise nach Lausanne gestattet. Er blieb zunächst in Zürich, siedelte dann aber nach Paris über, wo er als Redakteur bei der Emigrantenzeitschrift Континент (dt. Kontinent) und gemeinsam mit Anatolij Gladilin für den SenderRadio Free Europe tätig war. In den frühen 1980er Jahren wurde ihm dann die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt, da seine "Tätigkeiten unvereinbar mit dem hohen Zielen der Bürger der UdSSR" seien. Nekrassow, dessen letztes Werk unter dem Titel Маленькая печальная повесть (dt. Kleine traurige Geschichte) erschien, verfolgte von Paris aus mit großem Interesse bis zu seinem Tode die von Gorbatschow ausgelöste Bewegung der Perestroika und des Glasnost.

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Bild: Michal Sobkowski (07/2009) Wikipedia.en
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Sainte-Geneviève-des-Bois (Dép. Essonne), Cimetière Russe

Bilder_Matthias Bauer (1997)
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Schriftsteller XXXVII

Omnibus salutem!