John Herbert Dillinger

US-amerikanischer Bankräuber; der Sohn eines kleinen Lebensmittelhändlers beendte die Schule vorzeitig und arbeitete zunächst in einer Maschinenfabrik in Indianapolis. Wegen eines Autodiebstahls in Konflikt mit dem Gesetz geraten, trat er 1923 in die US Navy ein, desertierte jedoch von seinem Schiff, als es in Boston im Dock lag, und kehrte nach Mooresville zurück, wo er 1924 die 16-jährige Beryl Hovius heiratete. Da er keine Arbeit fand, schloß er sich der Gang von Ed Singleton an. Die Mitglieder der Bande wurden bei dem Versuch, einen Lebensmittelhändler auszurauben, gestellt; Dillinger wurde verhaftet und zu 10 bis 20 Jahren Haft verurteilt Nach einer Haftverbüßung von 8 ½ Jahre wurde Dillinger 1933 entlassen. Unmittelbar nach seiner Entlassung überfielen er und seine Bande eine Bank in Bluffton (Ohio), wurden erneut gefaßt und inhaftiert. Acht seiner Freunde konnten jedoch bereits vier Tage später aus der Haft entfliehen, wobei zwei Gefängniswärter getötet wurden. Im Oktober des gleichen Jahres wurde er von drei der Entflohenen und einem weiteren Mann befreit, wobei erneut ein Wärter ums Leben kam. Das zur Hilfe gerufenen FBI identifizierte alle Täter anhand von Fingerabdrücken. In der Zwischenzeit begingen Dillinger und seine Gang mehrere Banküberfälle, und sie besorgten sich bei einem Überfall auf ein Polizeidepot eine großen Anzahl an Waffen und Munition sowie schußsichere Westen. Im Dezember erschoß ein Mitglied der Dillinger-Bande, einen Polizisten in Chicago, und bei einem Überfall auf die National Bank in Chicago starb ein weiterer Polizist. Der Bande gelang es zunächst zu entkommen, sie wurde jedoch in Tucson (Arizona) gestellt und verhaftet. Erneut gelang es Dillinger aus dem Gefängnis zu entkommen, wobei er mit dem Auto eines Sheriffs floh. Da er mit einem gestohlenen Auto die Grenze eines US-Bundesstaats passierte, fiel dieser Fall gemäß des National Motor Vehicle Theft Act nun in die Zuständigkeit des FBI, das ihn zur landesweiten Fahndung ausschrieb und auf ihn das bis dahin höchste Kopfgeld der modernen Zeit in Höhe von 25.000 US-Dollar aussetzte. Nach weiteren Überfälle in Chicago gelang es dem FBI zwar, ihn zu stellen, es gelang Dillinger jedoch, obwohl angeschossen, zu entkommen und sich bei seinem Vater zu verstecken. Nach seiner Genesung, und nachdem er sich in Chicago mit seiner Freundin Evelyn Frechette getroffen hatte, gingen die beiden und Mitglieder der Gang nach St. Paul und überfielen erneut Banken, wobei sie größere Summen Geldes erbeuteten. Ein Versuch die Bande zu verhaften scheiterte, Dillinger und seine Freundin flohen nach Mooresville und versteckten sich erneut bei seinem Vater. In Warsaw (Indiana) erbeuteten sie beim Überfall auf ein Polizeirevier erneut Waffen und schußsichere Westen. Nunmehr beauftragte der Direktor des FBI, J. Edgar Hoover, den Spezialagenten Samuel A. Cowley mit der Angelegenheit. Im Juli 1934 wandte sich eine Anna Sage an das FBI – der wahre Name der 1914 aus Rumänien eingewanderten Frau lautete Ana Cumpanas – und war bereit gegen Geld und die Lösung ihres Probleme mit der US-Einwanderungsbehörde – den Aufenthaltsort Dillingers preiszugeben. Als Dillinger am nächsten Abend ein Kino verließ, wurde er beim Versuch der Festnahme von drei Kugeln getroffen und starb.

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Indianapolis, Crown Hill Cemetery

Bild: Jennifer (04/2006) flickr.com

Sacajawea auch Sacajawea (etwa: Vogelfrau)

 

Die Tochter eines Häuptlings der Nördlichen Shoshone-Indianer wurde als Kind von den Hidatsa-Indianern entführt und an den französisch-kanadischen Pelztierjägers Toussaint Charbonneau (*1758, †1843), verkauft, der sich der von Thomas Jefferson unterstützen Expedition von Meriwether Lewis und William Clark in die westlichen Gebiete der Vereinigten Staaten von North Dakota zum Pazifischen Ozean zwischen 1804 und 1806 als Dolmetscher anbot. Sie unterstützte die Expedition aber nicht nur als Dolmetscherin; sie war auch als Kundschafterin bei den Bestimmungen von neu entdeckten und bis dahin unbekannten Pflanzen und Tieren nützlich; zudem bewahrte sie die Teilnehmer der Expedition mehrmals vor dem Tod, da sie durch ihre Anwesenheit und durch ihr diplomatisches Geschick verschiedentlich Indianerstämme von einem Angriff abhalten konnte. Sie starb wenige Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes, Lisette (*1812). Ihr Sohn Jean Baptiste und Lisette wurden von William Clark adoptiert.

Sacajawea wurde in dem Western The Far Horizons (1955, dt. Am fernen Horizont) von der Schauspielerin Donna Reed verkörpert.

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Fort Washakie (Wyoming), Sacajawea Cemetery

Hinweis: Ob Sacajawea tatsächlich hier begraben wurde, ist umstritten. Einige glauben, daß sie in Fort Mandan (North South Dakota), was kaum sein kann, da das Fort bereits 1806 abgebrannt war, bzw. in Mobridge (South Dakota s.u.) beigesetzt wurde.

Bilder: Mel Mashman (06/2007)

Klaus Croissant

 

Deutscher Rechtsanwalt; war Mitte der 1970er Jahre zunächst Anwalt von Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF), er verteidigte unter anderem Ulrike Meinhof und Andreas Baader in ihren Prozessen, wurde jedoch - wie Hans-Christian Ströbele auch - bereits vor Beginn des Stammheimer Prozesses 1975 als Anwalt ausgeschlossen. Vier Jahre später wurde er wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Vom Berliner Kammergericht wurde er im März 1993 wegen Spionage für die DDR-Staatssicherheit noch einmal zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, da das Gericht es als erwiesen ansah, daß Croissant in den 1980er Jahren Informationen über die linke Szene der Bundesrepublik an die Stasi geliefert hatte.

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Bild: Claus Harmsen (stones & art, 06/2007)

Berlin, Städt. Friedhof Dahlem

Christiane Wilhelmine Sophie von Kühn

Verlobte Friedrich von Hardenbergs, der besser bekannt ist unter dem Namen Novalis; er traf die damals 12jährige Sophie, Stieftochter des Hauptmanns Johann Rudolf von Rockenthien und Tochter der Sophie Wilhelmine von Kühn, erstmalig auf Gut Grünstedt am 17. November 1794 auf einer Dienstfahrt. Über diese Begegnung als einer “Viertelstunde”, die über sein Leben entschieden habe, berichtete er seinem Bruder Erasmus in einem Brief. Nur wenige Monate später, am 17.3.1795, ihrem dreizehnten Geburtstag, verlobten sich die beiden ohne Wissen ihrer Eltern. Ende des Jahres erkrankte Sophie schwer, erholte sich wieder, mußte 1796 jedoch mehrfach operiert werden. Als sie trotz der Operationen schließlich doch verstarb, war Novalis untröstlich; ihr Tod stürzte Hardenberg in eine tiefe Krise. In vielen seiner Werke, insbesondere aber den Hymnen an die Nacht (1800), bewahrte er ihr Andenken. Der 1993 unter der Regie von Herwig Kipping entstandene Film Novalis - Die blaue Blume beinhaltet auch die Beziehung zwischen ihr und Novalis.

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Greußen OT Grüningen, Friedhof der St. Petrus Kirche

Bilder: Thomas Haas (06/2007)

Anna Stepanowna Politkowskaja [russ. Анна Степановна Политковскаяnée Anna Stepanowna Masepa

 

Russische Journalistin; die Tochter von Eltern ukrainischer Abstammung, die im diplomatischen Dienst der UdSSR bei den Vereinten Nationen arbeiteten, studierte Journalismus an der Moskauer Universität und machte 1980 ihren Abschluß. Von 1982 bis 1993 war für diverse Zeitungen und Verlage, u.a. für die Iswestija (Nachricht) und die Zeitschrift Megapolis-Ekspress und von 1994 bis Mitte 1999 als leitende Redakteurin für Notfall- und Krisensituationen, Kommentatorin und Stellvertretende Chefredakteurin bei der Wochenzeitung Obschtschaja gaseta (Verkehrszeitung) tätig. Ins Fadenkreuz der konservativen Öffentlickeit Rußlands geriet sie, als sie als Mitarbeiterin der Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta (Neue Zeitung) während des Tschetschenien-Krieges bewußt und kontinuierlich die offizielle Berichterstattung kritisierte; sie galt vielen konservativen Kräften in Rußland als "Nestbeschmutzerin" und "Feindin des russischen Volkes". Aufgrund wiederholter Morddrohungen verließ sie 2001 ihre Heimat und lebte einige Monate in Österreich. Nach ihrer Rückkehr wurde sie während eines Aufenthaltes in Tschetschenien im Februar 2002 kurzzeitig von russischem Militär verhaftet. Im gleichen Jahr bot sie sich während der Geiselnahme im Moskauer Theaterzentrum an der Dubrowka als Vermittlerin an. Dort hatten am Abend des 23. Oktober 2002 tschetschenische Terroristen, darunter sog. Schwarze Witwen, ca. 900 Zuschauer und Schauspieler des Musicals "Nord-Ost" als Geiseln genommen, von denen bei der gewaltsamen Befreiung 130 starben. Zwei Jahre später berichtete sie, sie sei Opfer eines Giftanschlages geworden (im September 2004 hatte sie auf dem Weg nach Beslan, wo bei einer Geiselnahme durch tschetschenische Terroristen in einer Schule Hunderte von Menschen, darunter sehr viele Kinder ums Leben kamen, in dem Flugzeug Tee getrunken, wurde anschließend ohnmächtig und mußte in ein Krankenhaus in Rostow eingeliefert werden). Mutig und unverdrossen berichtete sie über Verbrechen und Überrgriffe der russischen Armee und der mit ihnen verbündeten paramilitärischen tschetschenischen Gruppen im Kriegsgebiet. Dabei belastete sie u.a. den Putin-Vertrauten Ramsan Kadyrow (*1976), dem im übrigen von Menschenrechtsorganisationen diverse Verbrechen gegen Zivilisten zur Last gelegt werden und der seit Mai 2007 Präsident von Tschetschenien ist. Als sie am Sonnabend, dem 7. Oktober 2006 gegen 16:30 Uhr in ihre Wohnung zurückkehren wollte, wurde sie im Treppenaufgang des Wohnhauses in der Moskauer Lesnaja-Straße von einer nicht-maskierten männlichen Person durch mehrere Pistolenschüsse niedergestreckt und starb. Die Tat wurde trotz starken Drucks seitens der Weltöffentlichkeit bis heute nicht aufgeklärt, ebensowenig wie die Ermordung des ebenfalls regimekritischen, ehemaligen KGB-Offiziers Alexander Walterowitsch Litwinenko, der 2006 in London ermordet wurde.

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Moskau, Trojekurowskoje-Friedhof

Grigori Jefimowitsch Rasputin [russ. Григорий Ефимович Распутин]

1904/05            1908            1914

Russischer Wanderprediger; der Sohn eines gut situierten Bauern war zunächst ebenfalls Bauer, bis er etwa 1901 seine Familie verließ und als Wanderprophet umherzog. Bald schon machte er sich durch seine “Wunderheilungen” und seinen, auch sexuell ausschweifenden Lebensstil einen Namen; zahlreiche Damen aller Schichten verfielen seinem Charisma und seiner animalischen Aura. 1905 wurde er in Sankt Petersburg bei Hofe vorgestellt und hinterließ bei dem Mystizismus zuneigenden Zarin Alexandra Fjodorowna einen tiefen Eindruck und erlangte wegen seiner angeblichen Fähigkeiten, das Blut des an Hämophilie (Bluterkrankheit) leidenden Zarewitsch Alexej Nikolajewitsch, des Sohnes Nikolaus’ II., zu stillen, einen so großen Einfluß insbesondere auf die Zarin, daß ab 1911 zahlreiche hohe Ämter nach Rasputins Wünschen mit Personen besetzt wurden, die zumeist keinerlei Kompetenzen hatten. Dieser Einfluß hatte sich weiter verstärkt, als Rasputin vom fernen Sibirien aus die Erholung Alexejs, der sich mit der Familie 1912 auf ihrem Jagdschloß in Polen aufhielte und den die Ärzte bereits aufgegeben hatten, per Telegraph vorhersagte, und der junge Zarewitsch sich wenige Stunden später von der ernsten Krisis erholte. Als der Zar sich während des Ersten Weltkrieges an der Front aufhielt, übte Rasputin, der nach dem Willen der konservativ-religiösen Kräfte Rußlands als Mann aus dem Volk die Rolle der orthodoxen Kirche im Zarenreich stärken sollte, mit Billigung der Zarin großen Einfluß auf die Regierung aus, der allmählich zu Unmut führte.

Rasputin drückt Nikolaus und seine Gattin an seine Brust.

Als außerdem Gerüchte aufkamen, er verhandele mit dem Deutschen Reich, machten ihn die unzufriedene Bevölkerung, aber auch Teile der Hofgesellschaft und des Adels für die wachsenden Probleme Rußlands verantwortlich. Er wurde daher von dem Fürsten Felix Felixowitsch Jussupow als Drahtzieher des Komplottes, Großfürst Dmitri Romanow und anderen Mitverschworenen während eines Mitternachtsfestes im Moika Palast ermordet. Nachdem Gift nicht gewirkt hatte und ihn auch ein Schuß nicht hatte töten können, er vielmehr sich nach einiger Zeit trotz der Verletzung erholen konnte, schossen Dmitri Romanow und Jussupow erneut auf ihn und warfen ihn anschließend in ein Eisloch.

Rasputin im Kreise von Bewunderinnen (1914)

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Puschkin / Tsarskoje Selo, an unbekanntem Ort in einem nahen Wald

Hinweis: Raputin war zunächst auf Anweisung der Zarin Alexandra auf dem Gelände von Tsarskoje Selo beigesetzt worden, wurde jedoch von Revolutionstruppen exhumiert und verbrannt; anschließend wurde seine Asche in einem nahegelegenen Waldstück verstreut (es gibt jedoch auch andere Versionen über den Verbleib des Leichnams).

Bild: Steffen Giesler (05/2007)
Bild: Andrej Ju. Wukolow (11/2007)

Mobridge (South Dakota)

Bilder: Klaus Decker (11/2009)

Inschrift: Sakakawea won her place in history as the indomitable guide of Lewis and Clark on their trip to the Pacific in 1805. She was a member of the Shoshoni tribe dwelling near the Big Horn mountains in Montana. In one of the frequent tribal conflicts she was catured and taken to North Dakota as a war captive. Here she was purchased by a fur trader named Tousant Charbonneau who according to custom made her his wife. Lewis and Clark in search of an interpreter for their trip west tried to hire Charbonneau, but he would not go unless his wife was permitted to accompany him. The explorers reluctantly gave their permission. This was a fortunate decision for Lewis and Clark. By her courage, endurance and unerring instinct she guided the exhibition over seemingly insuperable obstacles. The leaders frequently gave her credit for the success of the venture. After returning east Charbonneau and Sakakawea settled down in Fort Manuel, about 30 miles north of here near Kenel, South Dakota. On December 20, 1812 it was recorded in the daily journal of events at the fort that Sakakawea died in putrid fever. There is no further record of her but it is safe to assume that this remarkable woman’s grave is someware near the site of old Ford Manuel. Sakakawea is, beyond question, the most illustrious feminine representative of the Indian race. [dt.Sakakawea errang ihren Platz in der Geschichte als eine unbezwingbare Führerin von Leweis und Clark auf deren Weg zu Pazifischen Ozean im Jahre 1805. Sie war ein Mitglied des Stammes der Schoschonen, die in der Nähe des Big Horn-Gebirges in Montana wohnten. Während einer der zahlreichen Stammesfehden war sie gefangengenommen und als Kriegsgefangene nach Nord Dakota gebracht worden. Hier kaufte sie der Pelzhändler Tousant Chardonneau und machte sie, wie es üblich war, zu seiner Frau. Lewis und Clark, die gerade einen Dolmetscher für ihre Entdeckungsreise nach Westen suchten, versuchten Chardonneau zu engagieren, der jedoch nur unter der Bedingung zustimmte, daß seine Frau ihn begleiten könne. Lewis und Clark stimmten widerstrebend zu. Dies war für Lewis und Clark eine glückliche Entscheidung. Aufgrund ihres Mutes, ihrer Ausdauer und ihres unfehlbaren Instinkts führte sie die Expedition über scheinbar unüberwindbare Hindernisse hinweg. Rasch trauten die Führer ihr einen Erfolg des Abenteuers zu, Nach der Rückkehr in den Osten ließen sich Charbonneau und Sakakawea in dem etwa 30 Meilen nördlich von hier in der Nähe von Kenel, Süd Dakota, gelegenen Fort Manuel nieder. Am 20. Dezember 1812 war in der täglichen Zeitung der Ereignisse zu lesen, daß Sakakwea im Fort an Fleckfieber gestorben sei. Weitere Aufzeichnungen gibt es nicht, es ist aber als sicher anzunehmen, daß das Grab dieser bemerkenswerten Frau in der Nähe des alten Ford Manuel sein muß. Sakakawea ist ohne Frage die berühmteste weibliche Repräsentantin der indianischen Rasse].

Im Hintergrund ist ein für die errichtetes Denkmal zu sehen.

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Gustav Schröder

 

Deutscher Kapitän, Sohn eines Lehrers; verließ nach der Obersekundareife das deutsche Gymnasium, und musterte mit Einverständnis seines Vaters in Hamburg auf dem Segelschulschiff Großherzogin Elisabeth an. Danach heuerte er als Decksmatrose auf dem Schnelldampfer Deutschland der Reederei HAPAG an. Später fuhr er für verschiedene Reedereien in Hongkong als Zweiter Offizier .Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er 1914 in Kalkutta interniert und kam erst 1920 kam er wieder frei. 1921 heuerte er erneut bei der HAPAG an, wo er zwölf Jahre seinen Dienst auf “Trampfahrten“1 verrichtete. 1935 wurde Gustav Schröder Offizier auf der Hansa. Im August 1936 erhielt er das Kapitänspatent und übernahm das Motorschiff Ozeana. Schröder leitete zahlreiche sogenannte KdF-Fahrten2 ins Mittelmeer und nach Skandinavien und übernahm Urlaubsvertretungen auf Schiffen, die zwischen Hamburg und New York verkehrten, unter anderem auf der St. Louis., einem Passagierschiff der Hamburger Reederei HAPAG, das 1929 in Dienst gestellt worden war.

Am 13.5.1939 verließ das Schiff den Hafen von Hamburg zu einer Sonderfahrt mit Ziel Kuba. Auf der St. Louis hatten sich 937 Passagiere, nahezu ausnahmslos deutsche Juden, eingeschifft, die nach den gewalttätigen Ausschreitungen des Novemberpogroms 1938 das Deutsche Reich verlassen wollten. Als das Schiff am 2. Mai sein Ziel, den Hafen von Havanna auf Kuba erreichte, untersagte die kubanische Regierung trotz zuvor erfolgter Zusage, das Anlegen am Pier. Gemäß kurz zuvor geänderter Einreisebestimmungen reichten Touristenvisa für die Einreise nicht mehr aus. Nach Verhandlungen von Kapitän Gustav Schröder durften 29 Passagiere von Bord gehen, darunter 22 deutsche Juden, deren Visa als gültig anerkannt wurden. Am 2. Juni mußte das Schiff Kuba verlassen. Da auch Anfragen seitens Schröders und jüdischer Organisationen an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und die kanadische Regierung abschlägig beantwortet wurden, mußte die St. Louis auf Anweisung der Reederei im Juni 1939 nach Europa zurückkehren, was unter den Passagieren zu Panik aus Angst vor der Deportation in Konzentrationslager führte und Androhung von Massensuiziden und Meuterei; so gab es einen Versuch, das Kommando über das Schiff zu übernehmen. Kapitän Schröder setzte sich weiterhin für die Passagiere ein, erwog sogar, eine Havarie vor der britischen Küste vorzutäuschen, damit die Passagiere dort an Land genommen werden würden. Die belgische Regierung erlaubte schließlich die Landung in Antwerpen, von wo aus die Passagiere von Belgien (214), den Niederlanden (181), Frankreich (224) und Großbritannien (254) aufgenommen wurde; ein Passagier war unterwegs verstorben.

1957 wurde Kapitän Schröder ”für Verdienste um Volk und Land bei der Rettung von Emigranten“ mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Vom Staat Israel wurde er in Yad Vashem, der Gedenkstätte für die Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust postum in den Kreis der ”Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen.

Die St. Louis im Hafen von Hamburg

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1 In der Trampschifffahrt (auch Bedarfsschifffahrt) fährt ein Schiff – im Unterschied zur Linienschifffahrt – ohne festgelegten Fahrplan und ohne feste Routen.

2 Kraft durch Freude (KdF) war eine 1933 gegründete nationalsozialistische Organisation, deren Aufgabe es war, die Freizeit der Bevölkerung zu gestalten, um so Einfluß auf diese nehmen und sie gleichzeitig überwachen zu können.

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Bilder: Parsifal von Pallandt (07/2019)

Hamburg-Nienstedten, Friedhof

Georg (Jürg) Jenatsch

Rätisches Museum, Chur (Ausschnitt)

 

 Graubündner Freiheitsheld; refomierter Pfarrer; Sohn des Israel, Pfarrers und Notars, und der Ursina Balsamin; verbrachte seine Jugend in Silvaplan. Von 1612 bis 1616 studierte er Theologie in Zürich, sowie anschließend bis 1617 in Basel. Im selben Jahr erfolgte seine Aufnahme in die Bündner Synode. Von 1617 bis 1618 war er Pfarrer in Scharans sowie anschließend bis 1620 in Berbenno (Veltlin), ein Städtchen, das an der konfessionellen Grenze lag. von dor entkam er mit knapper not dem gegen die reormierten Bündner gerichteten Veltliner Aufstand. Danach wurde er Gefolgsmann der von den Salis dominierten venezianischen. Partei und nahm in deren Auftrag an Mordzügen gegen Pompejus von Planta und andere spanisch Gesinnte teil. 1622 stand er als Hauptmann unter Mansfeld in deutschen Diensten; bevor er in venezianischen . Diensten zum Obersten aufstieg. Im Mantuanischen Erbfolgekrieg1 (1628-31) kämpfte er für die Unabhängigkeit Graubündens; um die Rückgabe des Veltlins zu erreichen, trat 1635 (ohne seine Familie) zum Katholizismus über und erzwang durch einen Aufstand 1637 den Abzug der Franzosen unter Henri, Herzog von Rohan.

Jenatsch, der in den Augen vieler Anhänger als der Retter Graubündens im Dreißigjährigen Krieg. galt, wurde 1639 in einer Fasnachtsnacht in einem Churer Gasthaus unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen umgebracht und noch gleichentags in der Kathedrale beigesetzt. Ermordet wurde Jenatsch von persönlichen Gegnern. Wer die Mörder waren, ist bis heute nicht bekannt, da diese sich verkleidet hatten; aber sie stammten vermutlich aus der Churer Oberschicht, als Aufsteiger, der zu Reichtum und sogar zu einem Adelstitel gekommen war, hatte er sich in der alteingesessenen Oberschicht viele Feinde gemacht.

Conrad .Ferdinand Meyer erfand in seinem Roman Georg Jenatsch (1876, 2 ,Bde.) einen Jenatsch, der nicht sehr mit dem historischen Jenatsch gemein hat..

Der Untergang des Jürg Jenatsch, Historienbild von E. Sturtevant gemäß der Romanvorlage von C.F. Meyer:

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1 Krieg um die Nachfolge im Herzogtum Mantua, der durch das Aussterben der Hauptlinie des Fürstengeschlechtes Gonzaga im Jahre 1627 ausgelöst wurde. Die heftige Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Habsburg um die Vorherrschaft in Norditalien war ein wichtiger Nebenschauplatz des Dreißigjährigen Krieges.

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Bild: Hartmut Riehm (10/2019)

Chur, Kathedrale

Paul Ernst Grüninger

~1939

 

Schweizer Polizeioffizier; zweites von vier Kindern eines katholischen Tapeziermeisters und dessen protestantischer Frau; wurde protestantisch erzogen; machte von 1907 bis 1911 eine Ausbildung zum Lehrer. Ab 1913 spielte er als Linksaussen beim Fussballclub Brühl, St. Gallen, und gewann mit seiner Mannschaft in der Saison 1914/15 die Schweizer Meisterschaft. Seine ersten Berufsjahre wurden durch den Wehrdienst unterbrochen, aus dem er nach Abschluß der Rekruten- und Offiziersschule als Leutnant der Verpflegungstruppen hervorging. Ab Ende 1919 nahm er die Stelle eines Polizeileutnants im Landjägerkorps des Kantons St. Gallen.an. 1925 erhielt er die Stelle eines Landjägerhauptmannes.

In den Jahren 1938 und 1939 rettete er als leitender Grenzbeamter mehrere hundert jüdische und andere Flüchtlinge vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung, indem er ihnen durch Vordatierung der Einreisevisa und/oder Fälschung anderer Dokumente die Einreise in die Schweiz ermöglichte. In der Folge wurde er 1939 vom Dienst suspendiert und ging zugleich seiner Ansprüche auf Pension verlustig. 1940 wurde er außerdem wegen Amtspflichtverletzung zur Zahlung einer geringen Geldstrafe verurteilt. Paul Grüninger fand in der Folge keine feste Anstellung mehr; vielmehr hielt er sich bis zu seinem Tode mit Gelegenheitsarbeiten und als Aushilfslehrer über Wasser. Diese Maßnahmen hatten auch Auswirkung auf seine Familie; so mußte Ruth, seine ältere Tochter aus seiner Ehe mit Alice, née Federer, die aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie aus Au kam, die Handelsschule in Lausanne abbrechen, fand zugleich aber keine Anstellung, bis eine jüdische Familie, die eine Textilfirma betrieb, sie einstellte. Mit dem Gehalt konnte sie gerade einmal .die Miete für die St. Galler Wohnung bezahlen, in der sie fortan mit ihrer zwölf Jahre jüngeren Schwester Sonja, ihrer Mutter und ihrem Vater wohnte.

1971 wurde Grüninger in die Liste der Gerechten unter den Völkern (hebr. חסיד אומות העולם, Chassid Umot ha-Olam) aufgenommen, die Israel nach der Staatsgründung 1948 als Ehrentitel für nichtjüdische Einzelpersonen eingeführt hatte, die unter nationalsozialistischer Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten. Von der St. Galler Regierung wurde Grüninger erst 1993 politisch rehabilitiert, schließlich veröffentlichte der Schweizer Bundesrat 1994 eine Ehrenerklärung für ihn. Im Folgejahr hob das Bezirksgericht St. Gallen das Urteil in der Sache Paul Grüninger auf und sprach ihn frei. Grüningers damalige Dienststelle, die Kantonspolizei St. Gallen, ehrte ihn 2014 in einer Feier, an der auch seine Tochter teilnahm; am Haupteingang des Polizeigebäudes wurde eine Gedenktafel, die an Paul Grüninger und dessen Zivilcourage erinnern soll.

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Bilder: Hartmut Riehm (10/2019)

Au (Kt. St. Gallen), Ortsfriedhof

Sonstige LIV

Omnibus salutem!