Leopold Kohr

 

 

Österreichischer Nationalökonom, Staatswissenschaftler und Philosoph; studierte nach dem Besuch der Volksschule in seiner Geburtsstadt und der Matura (Abitur) 1928 am Humanistischen Bundesgymnasium in Salzburg anschließend bis 1933 Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck, wo er auch zum Dr. jur. promovierte. Nach einigen Jahren Tätigkeiten an Gerichten in Salzburg und Wien, studierte er Staatswissenschaften an der Universität Wien und wurde dort zum Dr. rer. pol. promoviert. Außerdem studierte er Economics und .Political Theory an der London School of Economics and Political Science. Während des Spanischen Bürgerkriegs war er 1937 als freiberuflicher Korrespondent tätig. Dort wurde erBild: Claus Harmsen (stones & art)( ein enger Freund George Orwells, der ebenfalls von dort berichteten, wie auch Ernest Hemingway und André Malraux, die sich mit ihm jeweils die Büros teilten. Nach der Anexion Österreichs durch das Deutsche Reich floh er 1938 in die Vereinigten Staaten, wo er später die Staatsbürgerschaft annahm.

Leopold-Kohr-Denkmal in Oberndorf an der Salzachschleife (Ausschnitt)

 Von 1943 bis 1955 unterrichtete Kohr Wirtschafts- und Politikphilosophie an der Rutgers University in New Jersey. Anschließend war er bis 1973 Professor für Wirtschaftswissenschaften und öffentliche Verwaltung an der Universität von Puerto Rico in San Juan (mit Ausnahme der Jahre 1965 und 1966, als er Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Amerika in Mexiko-Stadt, Mexiko, war). In diesen Jahren entwickelte er seine Konzepte der Dorferneuerung und der Verkehrsberuhigung und beriet lokale Stadtplanungsinitiativen. Kohr zog von Puerto Rico nach Wales, wo er von 1968 bis 1977 am University College of Wales, Aberystwyth, politische Philosophie lehrte. Das Projekt der walisischen Unabhängigkeit, das auf dem Ideal von "cymdeithas" (Gemeinschaft) beruhte, lag ihm am Herzen, und Kohr wurde ein Mentor von Plaid Cymru und ein enger Freund seines damaligen Führers, Gwynfor Evans. Nach seinem Rücktritt vom Lehramt lebte Kohr in Gloucester (England) und Hellbrunn bei Salzburg..

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Bilder: Claus Harmsen (06/2019)

Oberndorf bei Salzburg, Friedhof

Pierre Félix Bourdieu

1969Bild: Jacques Rutman 

 

Französischer Soziologe; Sohn eines Landwirts und späteren Postangestellten; besuchte zunächst das Lycée de Pau in seiner Heimatstadt dann ab 1948 das Lycée Louis-le-Grand in Paris, bevor er ab 1951 im Hauptfach Philosophie an der Elitehochschule École normale supérieure (ENS) studierte, an der er 1954 die Agrégation erhielt. Während seines Studiums im Jahrzehnt des französischen Existentialismus hörte Bourdieu unter anderem Logik und Wissenschaftsgeschichte bei Gaston Bachelard und Georges Canguilhem: er befaßte sich mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel und schrieb eine Abhandlung über Gottfried Wilhelm Leibniz.

1958 war er Assistenzprofessor in Algiers und Paris, 1964 Professor an der École Pratique des Hautes Études in Paris Von 1960 bis 1961 war Bourdieu Assistent Raymond Arons an der philosophischen Fakultät der Sorbonne. Anschließend unterrichtete er bis 1964 Soziologie als Dozent an der Universität Lille. Seit 1982 war Professor am renommierten Collège de France, wo er 1985 Direktor des Centre de Sociologie Européenne du Collége de France und der École des Hautes Études en Science Sociales wurde.

Pierre Bourdieu gehört zu den einflußreichsten Soziologen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er lieferte Beiträge zur Analyse von individuellem Handeln, von kulturell vermittelten Handlungsmustern, von sozioökonomischer Macht- und Chancenverteilung.

Bekannt geworden ist er aufgrund seiner Solidarisierung mit streikenden Bahnarbeitern auf einer Betriebsversammlung im Gare de Lyon am 13. 12.1995. Im Jahre 1998 unterstützte er die Arbeitslosenbewegung in Frankreich, war Mitbegründer der globalisierungskritischen Bewegung attac. Im Mai 2000 setzte er sich für eine Vernetzung der sozialen Bewegungen in Europa gegen den Neoliberalismus ein.

Werke u.a.: Esquisse d’une théorie de la pratique. Précédé de Trois études d’ethnologie kabyle (1976, Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Le Sens pratique (1987, Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft), Homo academicus (1988), Sur la télévision suivi de L'emprise du journalisme (1996)

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Bilder: Aydin Süer (07/2019)

Paris, Cimetière du Père Lachaise

Theodor Egon Ritter von Oppolzer (seit 1869)

 

Österreichischer Astronom deutschböhmischer Herkunft; Sohn des Mediziners Johann Oppolzer; erhielt ab dem neunten Lebensjahr Unterricht durch Privatlehrer und erreichte 1859 als “Externer“, da er aus rag stammte, die Matura (Abitur) am Piaristengymnasiumin in Wien mit Auszeichnung. Anschließend studierte er auf “dringenden Wunsch“ seines Vaters Medizin in seiner Heimatstadt und beendete dieses Studium 1865 mit der Promotion zum Dr. med., hörte aber parallel dazu astronomische und mathematische Vorlesungen. Auf Grund seiner umfassenden Kenntnisse in Astronomie wurde Oppolzer 1866 ohne fachbezogene Promotion und ohne Habilitationsschrift in diesem Fach habilitiert; bis dahin hatte er bereits an die 80 Arbeiten auf den Gebieten der Beobachtung und Bahnbestimmung von Kleinplaneten und Kometen veröffentlicht. Zudem hatte er im Garten des elterlichen Anwesens eine leistungsstarke Sternwarte mit einem achtzölligen Refraktor errichten lassen. 1868 unternahm er eine Forschungsreise nach Arabien, wo er in Aden die totalen Sonnenfinsternis beobachtete, über die er in den Astronomischen Nachrichten die Schrift Beobachtung der am 17. August 1868 in Aden totalen Sonnenfinsterniss veröffentlichte.

1870 wurde Theodor Oppolzer zum außerordentlichen Professor für theoretische Astronomie ernannt, und fünf Jahre später nahm er einen Ruf an die Universität Wien an, wo er als ordentlicher Professor für Astronomie und Geodäsie Ordinarius wurde. 1872 berief man ihn in die Kommission der europäischen Gradmessung, um die wissenschaftliche Kooperation im Bereich der Geodäsie zu fördern, und im darauffolgenden Jahr in den Vorstand des k.k. Gradmessungsbureaus, dessen Präsident er 1885 wurde. Außerdem war er Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Akademien.

Bereits im Jahre 1879 war er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften geworden, und 1882 hatte ihn die Akademie der Wissenschaften in Wien zum wirklichen Mitglied gewählt, 1883 die National Academy of Sciences und 1884 auch die Royal Astronomical Society. 1885 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.

Weltweit bekannt wurde Oppolzer vor allem durch seinen Canon der Finsternisse (1887) und das zweibändige Lehrbuch der Bahnbestimmung von Kometen und Planeten. (1870–80).

Verheiratet war Oppolzer seit 1865 mit Coelestine Mautner, einer Tochter von Adolf Ignaz Mautner von Markhof; aus der Verbindung gingen sechs Kinder hervor, u.a. der spätere Astronom Egon von Oppolzer.

Werke u.a.: Bahn-Bestimmung des Cometen I. 1861 und des Cometen II. 1862 (1862), Wiederauffindung der Clytia (73) und Elemente und Ephemeride des Planeten (73) "Clytia" (1865), Über die Methode der Beobachtung bei Venusdurchgängen. (1870).

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Bilder: Otto Prohaska (07/2019)

Wien, Zentralfriedhof, Alte Arkaden

Andreas Erich Beurmann

 

 

Deutscher Musikwissenschaftler; Unternehmer; studierte Musikwissenschaft und Physik als Nebenfach an den Universitäten Köln und Göttingen, wo er 1953 mit der Dissertation Die Klaviersonaten Carl Philipp Emanuel Bachs zum Dr. phil. promoviert wurde.

1961 gründete er in Hamburg gemeinsam mit Wilhelm Wille und David L. Miller die TonträgerfirmaMiller International Schallplatten GmbH. 1966 entstand der Hörspielverlag EUROPA, der Hörspiele für Kinder und Jugendliche produzierte. Produzentin war Heikedine, née Körting, die Beurmann gerade kennengelernt hatte und die er 1979 heiratete. EUROPA ist heute ein Label der Sony Music Entertainment Germany GmbH.

Im Sommersemester 1978 war And reas Beurmann als Lehrbeauftragter mit einem Praktikum ”Elektronische Klangerzeugung und digitale Speicherung (Erarbeitung von elektronischen Musikwerken)“ beauftragt und gab auch in den folgenden Semestern Praktika und Übungen zur Instrumentenkunde und zu verschiedenen Bereichen der ”Musikelektronik“. Im November 1989 wurde er zum Professor ernannt und führte musikwissenschaftliche Lehrveranstaltungen durch. Diese Tätigkeit führte er bis 2000 aus.

Bereits in den 1960er Jahre begann Andreas Beurmann historische Tasteninstrumente, zu sammeln , von denen einige heute im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen sind.

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Bilder: Dirk Budde /03/2019)

Altenkrempe (Schleswig-Holstein), Friedhof

René König

 

 

Deutscher Soziologe; Sohn eines einer Industriellenfamilie entstammenden Ingenieurs und einer Französin; wuchs vor dem Ersten weltkrieg in Frankreich und in Deutschland auf. Die Zeit während des ersten Weltkrieges und bis 1922 lebte er in Halle, wo er das Gymnasium besuchte, bevor er nach Danzig kam, wo sein Vater Angestellter des Völkerbundes wurde und am Umbau der vormaligen Kaiserwerft auf Friedensbetrieb mitwirkte.

 

 

 

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Köln, Westfriedhof

Adolf Raskin

 

 

Deutscher Musikwissenschaftler und Journalist; ältestes von fünf Kindern eines Postschaffners: besuchte nach dem Realgymnasium in Köln ein bis 1918 das Lehrerausbildungsseminar in Köln mit dem Ziel, Volksschullehrer zu werden. Noch kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde er von Frühjahr bis November 1918 zum Kriegsdienst .Da die Aussichten, eine Anstellung als Lehrer zu erlangen, sehr schlecht waren, holte er das Abitur nach und studierte anschließend in Köln und Bonn Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie / Psychologie herangezogen und promovierte nach Abschluß des Studium im Juni 1923 mit einer Arbeit über Johann Joachim Quantz, dessen Leben und insbesondere dessen Kompositionen, für die Flöte. Danach absolvierte er ein Praktikum bei der bei der Theaterkritiken und wandte sich dem Journalismus zu, war von 1924 bis 1929 Feuilleton-Redakteur bei der Saarbrücker Zeitung., und wechselte dann nach Essen, wo er bis 1933 als Leiter des kulturpolitischen Ressorts bei der Rheinisch-Westfälischen Zeitung wirkte. Am 1.5.1933 wurde er Mitglied der NSDAP und wechselte im selben Jahr zum Rundfunk und war zunächst in Köln kurzzeitig im Zuge der Gleichschaltung als Leiter der Hauptabteilung Musik, Literatur und Unterhaltung bei dem Kölner Sender Westdeutsche Rundfunk AG (WERAG), der dann ab 1.4.1934 Reichssender Köln hieß und eine Zweigstelle der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) wurde, tätig und war dort u.a. für die musikalischen Programme zuständig. Am 26. Juni 1933 und 14. Oktober 1933 erfolgten vom WERAG die ersten Funkreportagen; aus Ballons, am Mikrophon in der Gondel war Rudi Rauher, im Funkhaus moderierte Raskin mit lustigen Gegenreden und ergänzte die Reportage mit Schallplattenmusik.

1934 wurde Adolf Raskin von Joseph Goebbels, der das im März 1933 gegründete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als “Reichspropagandaminister” übernommen hatte, mit der Leitung der Saarkampfzentrale des Deutschen Rundfunks in Frankfurt am Main mit dem Ziel beauftragt, die für den 1. März 1935 vorgesehenen Volksabstimmung über das “Saargebiet”, das unter der Verwaltung des Völkerbundes stand, aber faktisch zum französischen Wirtschaftsraum.gehörte, propagandistisch zu beeinflussen. Raskin richtete wöchentliche Saarsendungen ein, placierte rund 1.000 Einzelsendungen zum Thema und ließ 14.000 Volksempfänger vornehmlich an NSDAP-Mitglieder im Saargebiet verteilen. Nach der erfolgten Abstimmung der Saarländer, die sich für das Deutsche Reich entschieden, wurde Raskin mit der Einrichtung des Reichssenders Saarbrücken beauftragt und war vom 4.12.1935 bis 1938 erster Intendant des Reichssenders Saarbrücken. Ab Anfang 1937 wurde Adolf Raskin (zunächst zusätzlich zu der Saarbrücker Intendantenfunktion) in Berlin-Charlottenburg (Haus des Rundfunks, Masurenallee) in Personalunion   Auslandschef der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, komm. Intendant des Deutschen Kurzwellensenders, mit der Leitung des Deutschen Fernsehens beauftragt und unter Goebbels Aufsicht Sonderbeauftragter für gegen Frankreich und England gerichtete Clandestine-Sender(Geheimsender). Nach dem “Anschluß” Österreichs an das “Großdeutsche Reich” im März 1938 wurde Raskin vom Reichsintendanten Glasmeier nach Wien entsandt, um als Sonderbeauftragter der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft an Stelle der liquidierten österreichischen Radio Verkehrs AG (RAVAG) den “Reichssender Wien“ zu etablieren, welcher der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft unterstellt war.

Raskin starb bei einem Flugzeugabsturz während einer Dienstreise nach Sofia, wo er die Möglichkeiten eines geheimen Rundfunkkriegs gegen Griechenland erkunden wollte. Bei dem Absturz der  viermotorigen Junkers Ju 90 Nr. 10 ”Brandenburg”., einer Maschine der Deutschen Lufthansa, am 8.11.1940 bei Brauna kamen alle 29 Insassen der Maschine ums Leben.

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Köln, Westfriedhof

Bilder:Wilfried Paque (10/2019)
Bilder: Wilfried Paque (10/2019)

Boris Wiktorowitsch Rauschenbach [russ. Борис Викторович Раушенбах]

 

 

Sowjetischer Physiker; Sohn russisch-deutscher Eltern, des Schuhfabrikingenieurs Viktor J. Rauschenbach, der über zwanzig Jahre lang technischer Direktor der Lederindustrie in der Fabrik Skorochod war, und dessen Ehefrau Leontine F. Rauschenbach, née. Hallik; arbeitete nach Beendigung der Schulausbildung kurzzeitig im Luftfahrtwerk Nr. 23 in seiner Geburtsstadt, die 1924 in Leningrad umgenannt worden war, und studierte ab 1932 an der dortigen Luftfahrthochschule. Parallel zum Studium nahm er am Bau und der Erprobung von Segelflugzeugen teil. In dieser Zeit lernte er Sergej Koroljow, mit dem er später eng in der Raketen- und Raumfahrttechnik .zusammmenarbeiten wird, kennen. Noch während seiner Studienzeit veröffentlichte er erste wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit Fragen der Stabilität des Flugzeugs befassen. Anderthalb Jahre vor seinem Abschluß zog er nach Moskau, wo er am РНИИ (Ракетный институт), dem Raketeninstitut, in der Abteilung von Koroljow arbeitete, der damals mit Marschflugkörpern befaßt war. Die Arbeiten daran wurden 1938 plötzlich gestoppt, als Koroljew aufgrund von Stalins Repressalien unter Druck geriet. Rauschenbach widmete sich danach der Theorie des Verbrennens in den Strahltriebwerken.

Im Herbst 1941 - nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion - wurde das Institut Nr. 3 nach Swerdlowsk evakuiert. Von November 1941 bis März 1942 arbeitete Rauschenbach in einem der Verteidigungswerke. Im März 1942 wurde Rauschenbach in die Entwurfskommission gerufen, aber nicht zur Armee, sondern wie andere Deutsche in ein Arbeitslager in Nischni Tagil geschickt. Die dort herrschenden rauen Bedingungen, die Hauptarbeitsaufgabe und die schlechte Ernährung erschwerten die und verlangsamten die vorgesehene Entwicklung. Im Frühling 1942 wurde Rauschenbach von der Einberufungsbehörde vorgeladen, jedoch nicht zur Armee einberufen, sondern mit weiteren Rußlanddeutschen in ein Zwangsarbeitslager in der Nähe von Nischni Tagil abtransportiert. Da er sich zu dieser Zeit aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen bereits ein gewisses Prestige erworben hatte, bekam er die Erlaubnis, seine theoretischen Arbeiten im Lager weiterzuführen. Im Jahre 1948 gelang es dem neuen Leiter des Raketeninstituts Mstislaw Wsewolodowitsch Keldysch, die Verbannung Rauschenbachs zu beenden – der Wissenschaftler kehrte nach Moskau zurück, wo er die Theorie des Vibrationsbrennens entwickelte. 1948 verteidigte er seine Dissertation.

Mit seiner Schwester Karin (1928)

Ab 1955 arbeitete er gemeinsam mit Sergej Koroljow an der Entwicklung von Techniken, die der Orientierung von Weltraumsonden in einer Welt ohne Schwerkraft. dienen sollten. Der größte Erfolg dieser Arbeit war das Projekt Lunik 3 (1959), in dem es zum ersten Mal gelang, die Rückseite des Mondes zu photographieren. Hierfür wurde er 1960 mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet. In weniger als zehn Jahren wurden unter seiner Führung auch Flugorientierungs- und Korrektursysteme für Mars-, und Venusonden, sowohl die automatische und manuelle Steuerung bemannter Raumfahrzeuge implementiert. als auch Andocksysteme von Raumfahrzeugen an Raumstationen. Anfang 1960 wurde die erste "Gagarin" -Kosmonautenabteilung geschaffen, und Rauschenbach beteiligte sich aktiv an der Vorbereitung des ersten bemannten Raumfluges.

Dank seiner Entwicklungen gilt Boris Rauschenbach, der 1966 zum korrespondierenden Mitglied gewählt wurde und 1986 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR wurde, als einer der Begründer der sowjetischen Raumfahrt.

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Moskau, Neujungfrauenfriedhof

Pierre Gorman

gorman_pierre_bdBild: Claas Harmsen (2001)

 

Australischer Pädagoge und Psychologe; Sohn eines Rechtsanwalts, eines obersten Richters in Australien, und dessen aus Paris stammenden Frau, die dieser während seines Einsatzes als Soldat im Ersten Weltkrieg in Frankreich kennengelernt hatte; studierte an der Cambridge University, an der er als erster Gehörloser weltweit 1960 über “Soziale und psychologische Probleme der Gehörlosen in der englischen Gesellschaft“ promovierte. Anschließend wirkte er als Bibliothekar am Royal National Institute of the Deaf (RNID) in London und baute dort die erste weltweit anerkannte Bibliothek mit Werken über Hörschädigungen auf. Danach hat Gorman das von Sir Richard Paget entwickelte Paget-Gorman-Sign System (Grammatiksystem) fortgesetzt und weiterentwickelt. Sodann wurde Gorman an die Victorian School for Deaf Children in Melbourne berufen, die sich damals unter der Leitung von Harry Powell befand. Kurz darauf trat er eine Professur an der Monash University nahe Melbourne an, bevor er sich 1983 in den Ruhestand zurückzog. Als Gastdozent und -redner war er bis 2005 weiter aktiv. 1980 erschien im Londoner Collins-Verlag seine Biographie.

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Melbourne (St.Kilda East), St. Kilda Cemetery

Bild: lan Gregory/Claus Harmsen (2007)

Ludwig-Ferdinand von Friedeburg

 

 

Deutscher Sozialwissenschaftler und Politiker (SPD); Sohn des Generaladmirals, ab 1943 Kommandierender Admiral der deutschen Unterseeboote Hans-Georg von Friedeburg. Er trat nach dem Abitur 1941 in die Kriegsmarine ein, beendete seine Offiziersausbildung im Juni 1943 und war der jüngste deutsche U-Boot Kommandanten des Zweiten Weltkrieges. Nachdem Ludwig von Friedeburg am 12.9.1947 aus alliierter Gefangenschaft entlassen worden war, studierte er von 1947 bis 1951 er an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; an Letzterer promovierte er 1952 über Die Umfrage als Instrument der Sozialwissenschaften.. Von 1951 bis 1954 war er Mitarbeiter am Institut für Demoskopie Allensbach, bevor er 1955 als Abteilungsleiter an das Frankfurter Institut für Sozialforschung wechselte. 1960 habilitierte er sich bei Theodor W. Adorno mit einer Arbeit zur Soziologie des Betriebsklimas. Anschließend war Friedeburg von 1969 bis 1974 im Kabinett Albert Osswald I und II Kultusminister in Hessen, danach ab 1974 Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Universität Frankfurt am Main Er arbeitete besonders auf dem Gebiet der Jugend-, Bildungs- und Betriebssoziologie. Seine Bemühungen zur Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems in Gesamtschulen und Rahmenrichtlinien stießen auf heftige Kritik.

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Frankfurt am Main OT Niederursel, Friedhof

Bild: Harvey Kneeslapper (09/2019) Wikipedia.de
Bild: Harvey Kneeslapper (09/2019) Wikipedia.de

Jutta Limbach  née Ryneck

 

 

Deutsche Juristin und Politikerin (SPD); Enkelin von Elfriede Ryneck, eine der ersten Frauen in der Weimarer Nationalversammlung und Reichstagsabgeordnete für die SPD; Tochter von Erich Ryneck der - ebenfalls Mitglied der SPD - von 1946 bis 1948 Bürgermeister des Ostberliner Bezirks Pankow war; aber mit seiner Familie nach West-Berlin übersiedelte und sein Amt niederlegt. Dort besuchte sie die Mädchenoberschule, in der sie Schulsprecherin war.

Das Jurastudium schloß sie 1958 mit dem 1. Staatsexamen, das Referendariat 1962 mit dem 2. Staatsexamen ab. In diesem Jahr trat sie der SPD bei. Von 1963 bis 1966 war sie Akademische Rätin am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin. 1966 wurde sie dort mit einer Arbeit über die Theorie und Wirklichkeit der GmbH zum Doktor der Rechte promoviert. Ihr Doktorvater war der Jurist und Rechtssoziologe Ernst Eduard Hirsch.

Ab 1972 war sie Professorin an der Freien Universität Berlin. Nachdem Walter Momper (SPD) die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 1989 gewonnen hatte, wurde sie zur Senatorin für Justiz in Berlin berufen. Als solcher oblag ihr nach dem Zusammenbruch der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die Neuordnung der Gerichtsbarkeit in der Hauptstadt Berlin. Außerdem hatte sie die Aufsicht über die Strafverfolgung der früheren DDR-Staatsspitze wegen des Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze und war auch für Inhaftierung und spätere Freilassung des früheren Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Erich Honecker, zuständig.

Von 1994 bis 2002 war sie Richterin am Bundesverfassungsgericht und dessen Präsidentin. In ihre Amtszeit fiel unter anderem der Beschluß, demzufolge der Ausspruch "Soldaten sind Mörder" von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht zu bestrafen ist. 1995 entschied ebenfalls der Erste Senat unter dem Vorsitz von Hans-Jürgen Papier, daß in Grundschulen in Bayern die bis dahin üblichen Kreuze auf Verlangen abzuhängen sind; der Richterspruch wurde als Kruzifix-Urteil bekannt. Von 2002 bis 2008 war Jutta Limbach Präsidentin des Goethe-Instituts Inter Nationes..

Werke u.a.: Der verständige Rechtsgenosse (1977), Die Akzeptanz verfassungsgerichtlicher Entscheidungen (1997).

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Bilder: Günter Bihn (05/2020)

Berlin-Zehlendorf, Waldfriedhof,Chausseestraße

Wissenschaft & Forschung LXXXVII

Omnibus salutem!